Der Landrat berichtet aus Kassel
Der Landrat des Kreises Kassel erstattet am 26. August 1935 folgenden Bericht für August 1935:
Die Berichte der Gemeinden über den Kampf gegen das Judentum und die wirtschaftliche Stellung der Juden lauten verschieden. Besonders scharf ist der Kampf gegen das Judentum in der Gemeinde Hoof, wo die weitaus meisten Juden des Kreises ansässig sind. Da die Bevölkerung in der Judenfrage sehr schwer zu erziehen ist, hat die Ortsgruppenleitung der NSDAP mitten im Orte eine schwarze Tafel aufstellen lassen, auf der alle Volksgenossen namentlich bekannt gegeben werden, die bei Juden kaufen bzw. mit ihnen handeln.
Aus anderen Teilen des Kreises wird dagegen gemeldet, daß die jüdischen Geschäftsleute und Händler noch zahlreich vertreten sind. Sie haben ihre Tätigkeit mehr auf das Land verlegt und lassen sich besonders viel bei kleinen Leuten, Arbeitern usw. sehen. Die auswärtigen Juden gehen zwar in der Ausübung ihres Gewerbes sehr zurückhaltend vor, setzen aber dennoch ihre Waren restlos ab. Aus Oberkaufungen, Niederkaufungen und Helsa liegen Berichte vor, daß auch Parteigenossen und sogar SA -Führer und politische Leiter mit Juden handeln und bei ihnen kaufen. So bedauerlich dies ist, es zeigt sich doch einmal wieder, daß auch Männer die in den Reihen der Partei stehen, charakterlich und weltanschaulich noch nicht so sehr gefestigt sind, um jeden Verkehr mit Juden aufzugeben. Hier und da waren sogar Äußerungen zu hören, daß die Juden auch Menschen seien und auch leben müßten.