Menü
Chronik und Quellen
1935
August 1935

Der Landrat berichtet aus Halle

Der Landrat des Kreises Halle i.W. erstattet am 28. August 1935 folgenden Bericht für August 1935:

Der Monat stand im Zeichen des Kampfes der Partei gegen das Judentum. Dieser Kampf ist ein Beweis dafür, daß die Mitglieder der Bewegung, ihrer Gliederungen und der ihr angeschlossenen Verbände immer dringender die schnellere Lösung der Judenfrage erwarten. Ob die Maßnahmen innen- und außenpolitisch richtig sind, mag in manchen Fällen dahingestellt bleiben. (…)

 

Juden und Freimaurer

Gegen die Juden und die mit ihnen geschäftlich Verkehrenden hat die Partei folgende Maßnahmen ergriffen:

a.) 29.7. Photographieren der Kunden des Geschäftshauses Nathan Spiegel in Versmold. Die Beschwerde der Geschäftsinhaberin, die beim Amtsbürgermeister vorgebracht wurde, ist vom Kreisleiter als unbegründet zurückgewiesen worden, weil das Photographieren zur durchschlagenden Propaganda der NSDAP im Kampf gegen das Judentum gehöre. Auch weiterhin soll vor jüdischen Geschäften in Versmold photographiert werden. (s. Bericht vom 22.8.)

b.) Ankleben von Zetteln mit der Aufschrift ''Kauft nicht beim Juden'', ''Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter'' am Hause des Juden Bergfeld in Versmold und an den Fahrrädern von dessen Kunden. (s. Bericht vom 10.8.35 222/Geh.)

Der Kampf wird nach erfolgter Aufklärung des Sachverhalts in gleicher Art weitergeführt, wie der Kreisleiter mitgeteilt hat.

c.) 7.8.35 Demonstration der Bewegung usw. vor dem Haus des Juden [N.N.a] in Versmold, Einwerfen der Fensterscheiben in der Vorderfront des Hauses, weil [N.N.a] sich sittlich vergangen haben sollte.

In Schutzhaftnahme des Juden durch die Stapo , der er sich stellte. (s. Bericht vom 10. und 17.8.35)

d.) Lokalverbot [N.N.b] in Tatenhausen, weil die Tochter des Gastwirtes sich in durchaus ungebührlicher Art und Weise mit dem Juden [N.N.c] jun. in Halle (Westf.) eingelassen hatte.

Im Zusammenhang hiermit öffentliche Anprangerung mehrerer Volksgenossen im NS-Volksblatt vom 10.8.35, weil sie enge Freundschaft mit dem Juden [N.N.c] halten.

e.) Öffentliche Anprangerung mehrerer Volksgenossen, die vom Juden Fleisch kauften oder sonst Beziehungen zum jüdischen Viehhändler unterhalten (NS-Volksblatt vom 12.8.35).

f.) Desgleichen (NS-Volksblatt vom 13.8.35)

g.) In fast allen Gemeinden des Kreises wurden von dem örtlichen Leiter der NSDAP auf Anordnung des Kreisleiters ein Dringlichkeitsantrag folgenden Inhalts gestellt, der auch meist zum Beschluß erhoben und in der Presse veröffentlicht wurde:

''Dringlichkeitsantrag''

Die NSDAP Ortsgruppe ...... stellt den Antrag im Gemeinderat folgenden Beschluß zu fassen:

1.) Gemeindeeigene Grundstücke usw. dürfen in Zukunft nicht mehr an Juden verkauft werden.

2.) Allen Juden ist in Zukunft die Zuzugsgenehmigung zu verweigern.

3.) Gewerbetreibende, Handwerker usw., die nachweislich mit jüdischen Firmen in Verbindung stehen, werden bei der Vergebung von Aufträgen seitens der Gemeinde nicht berücksichtigt.

4.) Für die Vergebung von Aufträgen seitens der Gemeinde ist maßgebend, ob derjenige, der den Auftrag erhält, mit einem angemessenen Beitrag in der NSV ist.

5.) Es werden in Zukunft nur noch Geschäfte und Betriebe berücksichtigt, deren Angestellte, Lehrlinge und überhaupt sämtliche Arbeitnehmer in der Staatsjugend sind oder aber in den NS-Organisationen oder Formationen. Geschäfte, Betriebe, die bewußt die Zugehörigkeit ihrer Arbeitnehmer zu den NS-Formationen und Organisationen behindern, sind auf keinen Fall mit Aufträgen zu versehen.''

h.) An verschiedenen Ortseingängen wurden Transparente und Schilder aufgehängt, so in Oesterweg mit dem Wortlaut: ''Juden betreten diesen Ort auf eigene Gefahr'' und in Werther ''Wir wollen hier kein Judenpack''. Der örtliche politische Leiter von Oesterweg, der gleichzeitig Bürgermeister ist, hat die Transparente auf mein Ansuchen wieder beseitigt. Ich habe auch den örtlichen politischen Leiter in Werther gebeten, das Schild beseitigen zu lassen.

Baum wird geladen...