Der Regierungspräsident berichtet ans Ansbach
Der Regierungspräsident von Ober- und Mittelfranken erstattet am 9. September 1935 folgenden Bericht für August 1935 aus Ansbach :
Im evangelischen Kirchenstreit herrschte äußerlich Ruhe. Die Spannungen bestehen jedoch nach wie vor fort. In Bayreuth z.B. wurden in mehreren Fällen Testamente widerrufen, da sich die zu Erben eingesetzten Familienglieder zu den Deutschen Christen bekannten. Daß manche Bekenntnispfarrer glauben, gerade jetzt, wo die Aufklärung über den Juden weit über Franken hinaus im besten Schwunge ist, die frühere oder zukünftige ''Sendung'' des jüdischen Volkes nach Worten der Bibel hervorheben und behandeln zu müssen, ist geradezu ein Frevel an Volk und Bewegung, und wird nicht nur von Gegnern der Bekenntnisfront als Herausforderung angesehen. In Nr. 32 des ''Stürmer '' fanden die von einem Pfarrer wieder hervorgeholten, vor mehreren Jahren gefallenen Äußerungen des Landesbischofs Meiser über die Stellung der evangelischen Kirche zu den Juden eine deutliche, aber verdiente Abfuhr. - Eine Nr. des in Kulmbach erscheinenden ''Friedensboten'' (Wochenschrift der Gemeinschaft innerhalb der evangelischen Landeskirche) mußte wegen ähnlicher Ausführungen zu Gunsten der Juden beschlagnahmt werden; ihr befristetes Verbot wurde angeregt. In Zirndorf, BA Fürth i. Bay., wurde einem evangelischen Pfarrer wegen der Auswahl eines derartigen Predigttextes, der bei seiner Vorankündigung im öffentlichen Kirchenanzeiger Unwillen erregte, den aber dann der Pfarrer wohl deshalb in der Predigt sachlich und vorsichtig behandelte, eine Verwarnung erteilt. - Die Deutschen Christen sind in langsamen, aber stetigen Vordringen begriffen. (…)
Die Bekämpfung des Judentums und das Verständnis für diesen Kampf zeigen erfreuliche Fortschritte. In der Berichtszeit wurden mehrere Verhaftungen wegen Rasseschändung vorgenommen; in Ansbach z. B. hatte ein verheirateter jüdischer Kultusbeamter seit langer Zeit mit einem arischen Mädchen im Judenfriedhof Zusammenkünfte zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs. Eigenmächtige Ausschreitungen gegen das Judentum kommen nur noch selten vor. In Forth, Bez.Amt Erlangen, wurde das Haus eines Juden mit Steinen beworfen; in Ühlfeld, Bezirksamt Neustadt a.d. Aisch, wurden im Judenfriedhof einige Grabsteine umgeworfen, in Oberrimbach und Umgebung (Bezirksamt Scheinfeld) kam es zu Reibereien zwischen Berliner Notstandsarbeitern (SA -Leute) und den ortsansässigen Juden, die jedoch noch rechtzeitig von der SA-Führung unterbunden wurden. Am 6.8.1935 hielt die zionistische Ortsgruppe Bamberg einen Vortragsabend mit Dr. Friedenthal , Präsident der Deutschen Makkabi (jüdisch-nationaler-Turnerbund) als Redner ab; Teilnehmerzahl etwa 120 Personen. Der Redner bemängelte die Gleichgültigkeit der Salon-Juden gegen die Zionistenfrage, beklagte die Uneinigkeit innerhalb des Judentums und forderte zur Ansiedlung in Palästina auf, da die Juden in Deutschland nichts mehr zu erwarten hätten; in Deutschland könne die Judenfrage nur durch Auswanderung gelöst werden.