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Chronik und Quellen
1935
August 1935

Der Regierungspräsident von Oberbayern berichtet

Der Regierungspräsident von Oberbayern erstattet am 9. September 1935 folgenden Bericht für August 1935 aus München:

Am 13.8.1935 fand auf dem Notariat Aichach die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes der Kaufmannseheleute Schöfbeck aus Sielenbach statt; zu der Versteigerung war auch der Jude Hilb aus Ulm erschienen, welcher wegen einer beträchtlichen Forderung aus Warenlieferungen sich an der Versteigerung beteiligte. Als dieses bekannt wurde, entstand bald eine Ansammlung vor dem Notariat. Einige SS -Leute begaben sich in das Versteigerungslokal und veranlaßten den Notar die Versteigerung vorübergehend einzustellen. Der Jude Hilb mußte sein Angebot zurücknehmen und das Lokal verlassen. Ein am Eingang zum Notariat angebrachtes Schild mit der Aufschrift ''Ein Jude will deutschen Kindern die Heimat rauben'' wurde dem Hilb in die Hand gegeben. Mit diesem Plakat mußte er vor dem Eingang stehen bleiben. Bei der Versteigerung ging der Grundbesitz in das Eigentum der 6 minderjährigen Kinder der Familie Schöfbeck über. Der Jude wurde mit seinem Auto unter dem persönlichen Schutze eines SS-Mannes über die Stadtgrenze zurückgebracht. Ein diesen Sachverhalt schildernder Zeitungsartikel des ''Aichacher Kurier'' erregte großen Unwillen in der Bevölkerung, sodaß der Redakteur und die verantwortlichen Schriftleiter in Schutzhaft genommen werden mußten.

In Bad Tölz und Heilbrunn wurden im Anschluß an die im letzten Monatsbericht gemeldeten Vorfälle Kur- und Badekarten an Juden nicht mehr abgegeben. Auch in den anderen Orten wie in Garmisch und Rosenheim wurden die Juden zur vorzeitigen Abreise veranlaßt. Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, daß der Großteil der Bevölkerung in den Ausflugsorten vom Fremdenverkehr lebt und deshalb die scharfe Kampfansage an die Juden nicht billigt.

An Amts- und Privatgebäuden in Rosenheim wurde ein Plakat angeschlagen, auf welchen die jüdischen Geschäfte der Stadt aufgeführt sind und jeder als Volksverräter bezeichnet wird, der in diesen Geschäften einkauft.

In Pfaffenhofen riß ein Engländer ein Judenplakat ab; er wurde angehalten und gezwungen, zur Sicherung der Strafbeitreibung eine Kaution zu hinterlegen.

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