Die Gestapo berichtet aus Saarbrücken
Die Gestapo für das Saarland erstattet aus Saarbrücken folgenden Bericht für August 1935:
Im allgemeinen befleißigen sich die Juden nach wie vor einer gewissen Zurückhaltung. Weder politisch noch wirtschaftlich treten sie hervor. Preissteigerungen oder unsoziales Verhalten von Juden sind in der Berichtszeit nicht festgestellt worden. Dagegen wurde in verschiedenen Fällen rasseschändendes Verhalten festgestellt. In einem Falle wurde gegen einen Juden wegen Sittlichkeitsverbrechens eingeschritten.
Außendienststelle Merzig berichtet:
''In letzter Zeit ist besonders aufgefallen, daß die meisten hier alt eingesessenen Juden Reisepässe mit der Begründung beantragen, in nächster Zeit auszuwandern. Tatsächlich versuchen sie, ihre Häuser und Grundstücke zu verkaufen, was ihnen jedoch schwer fällt, da sich nur selten jemand auf ein Geschäft mit einem Juden einläßt. In einem Falle hat ein hiesiger Geschäftsmann und sogar Pg . vor kurzer Zeit ein Haus von einem Juden gekauft. Den Kaufvertrag hat dieser Geschäftsmann erst dann rückgängig gemacht, als man ihm seitens der PL gedroht hat, den Verkauf aus der Reichszeugmeisterei zu entziehen und ihn aus der Partei auszustoßen. Die Juden selbst verhalten sich im allgemeinen ruhig und zurückgezogen.''
Außendienststelle St. Ingbert berichtet:
''Die Juden befleißigen sich im allgemeinen größter Zurückhaltung. Die in St. Ingbert noch ansässigen Juden haben ausnahmslos den Antrag gestellt, Deutschland zu verlassen. Sie haben ihre Geschäfte und auch Möbel zum Verkauf angeboten, zum Teil auch schon verkauft. Sie werden vermutlich nach Lothringen verschwinden.''
Außendienststelle Neunkirchen meldet:
''Im Bereich der Außenstelle Neunkirchen ist es vereinzelt zu unbedeutenden Aktionen gegen jüdische Geschäfte gekommen, indem Zettel geklebt, Schaufenster und Hausfronten beschriftet und ähnliche Maßnahmen getroffen wurden, um die Geschäfte als nichtarische Unternehmen zu kennzeichnen. Das kaufende Publikum läßt leider auch hier zum großen Teil die nötige Zurückhaltung gegenüber jüdischen Geschäftsunternehmen vermissen.
Auf dem jüdischen Friedhof in Neunkirchen waren Zerstörungen an den Grabmälern vorgekommen. Die Ermittlungen ergaben, daß als Täter eine Anzahl Kinder aus einer in der Nachbarschaft gelegenen, früher stark kommunistisch verseuchten Siedlung in Frage kommen. Außerdem wurde festgestellt, daß die Kinder wahrscheinlich durch den früheren Kommunisten Friedrich Zeiger zu ihrer Handlungsweise verleitet worden waren. Zeiger hat sich dem die Ermittlung führenden Beamten entgegengestellt und eine Zusammenrottung weiterer Bewohner der bezeichneten Siedlung veranlaßt. Zeiger wurde wegen Beamtennötigung und Aufruhrs angezeigt und dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erlassen hat. Über die Vorfälle wurde gesondert berichtet.''