Die Gestapo berichtet aus Dortmund
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Arnsberg erstattet im August 1935 folgenden Bericht aus Dortmund:
Stark ist auch die Unzufriedenheit unter den Bauern. In den bäuerlichen Kreisen wird der weltanschauliche Kampf wohl am tiefsten empfunden und miterlebt, da der Bauer in seiner bodenständigen Art an dem Überkommenen festhält und daher glaubt, sich gegen den ''Einbruch'' der völkischen Lehre wehren zu müssen. Aus seinem Beharrungsvermögen heraus hält er an der christlichen Lehre fest und leistet dem Geistlichen treue Gefolgschaft. Er sieht daher in der nationalsozialistischen Weltanschauung, die mit dem Machtstreben der Kirche aufräumen will, eine Gefährdung seiner von den Altvordern übernommenen streng religiösen Haltung. Auch mit den sonstigen grundsätzlichen Forderungen der nationalsozialistischen Bewegung kann er sich nicht abfinden. Dies zeigt sich vor allem in der Haltung der bäuerlichen Bevölkerung zur Judenfrage . Der Viehjude hat bei den Bauern immer eine starke Rolle gespielt und es fällt den Bauern schwer, nunmehr mit anderen Händlern zu arbeiten, wenn diese ihnen nicht besondere Vorteile gewähren. Dieser Mangel an völkischem Instinkt und nationaler Disziplin tritt auch in anderen Fragen immer wieder in Erscheinung. (…)
Juden und Freimaurer
Anläßlich des im Berichtsmonats gegen verschiedene jüdische Geschäfte einsetzenden verstärkten Boykotts“ hat sich die Geschäftslage der jüdischen Unternehmungen durchweg verschlechtert. Die Versuche der jüdischen Geschäftsinhaber, durch stark herabgesetzte Preise und Lockartikel die Kundschaft zu halten und neue Kunden zu werben, haben nur wenig Erfolg gezeitigt.
Der Boykott der jüdischen Geschäfte hat leider auch in vielen Fällen unerfreuliche Formen gehabt. Nicht immer beschränkte er sich auf die Meidung jüdischer Geschäfte, sondern erfolgte mehrfach in Übergriffen gegen jüdische Geschäfte, deren Schaufenster beschmiert oder eingeworfen wurden. Vielfach sind auch die Käufer fotografiert oder sonstwie öffentlich angeprangert worden. Diese Übergriffe werden allgemein mißbilligt, zumal man hinter diesen Aktionen die NS-Hago vermutet und daher als eigentlichen Grund Konkurrenzneid annimmt.
Wie vertraulich in Erfahrung gebracht werden konnte, reicht als Folge des Boykotts bei verschiedenen jüdischen, insbesondere größeren Geschäften der tägliche Umsatz nicht mehr zur Bestreitung der Unkosten aus, sodaß z. B. das jüdische Kaufhaus Gebrüder Kaufmann sich nur unter Inanspruchnahme des vorhandenen Barkapitals behaupten kann. Bei Fortdauer der schlechten Geschäftslage ist beabsichtigt, verschiedene Abteilungen zusammenzulegen und dadurch Arbeitskräfte einzusparen. Um jedoch nach außen hin durch evtl. Entlassungen von Angestellten keinen Anlaß zu Erregungen zu geben, versucht man nach Möglichkeit, diese Maßnahmen hinauszuschieben. Der Verkauf der Geschäfte, der vielfach bereits in Erwägung gezogen wurde, scheiterte, da finanzkräftige arische Käufer fehlen, zudem ist auch für diese das Risiko zu groß.
Die Öffentlichkeit erregte sich im Berichtsmonat besonderes stark über einige Fälle bewiesenen Rassenverrats. Im Verlauf der Ermittlungen wurden 9 Personen festgenommen und in 5 Fällen Haftbefehl erwirkt. Die Statistik ergibt, daß die Täter in den verschiedensten Berufen vom Jünglings- bis Greisenalter zu suchen sind. Bezeichnend ist ein Fall, in dem ein über 60 Jahre alter jüdischer Immobilienhändler mit einer 20-jährigen Arierin ein Kind zeugte. Bemerkenswert ist auch, daß in einer Speisewirtschaft mit Wissen der Inhaber von dort verkehrenden Juden galizischer Herkunft und polnischer Nationalität sittliche Verfehlungen an einer 15-jährigen arischen Hausangestellten begangen wurden. Charakteristisch für die Einstellung der Bevölkerung im Abwehrkampf gegen rasseschänderische Versuche ist die Tatsache, daß hinweisende Eingänge in stark gesteigerter Zahl in Bearbeitung genommen werden müssen.
In der Berichtszeit waren Veranstaltungen der einzelnen jüdischen Organisationen auf das Minimum beschränkt. Ein Zeichen, daß sich die Juden immer noch eine längere ''Ausspannung'' in Ferienorten erlauben können. Der Kulturbund hielt 2 Veranstaltungen ab. Der Besuch war schwach. Die von den verschiedenen Zionistischen Vereinigungen im Monat durchgeführten 5 kleineren Veranstaltungen waren dagegen stark besucht. Die Zionisten gewinnen überhaupt immer mehr Boden, und zwar besonders unter der Jugend.
Der Erlaß des Reichskommissars Hinkel über den Reichszusammenschluß jüdischer Kulturbünde wurde in den interessierten Kreisen mit Befriedigung aufgenommen, da man in diesem Erlaß eine gesicherte Rechtsgrundlage erblickt und somit auf einen Zustrom von Mitgliedern hofft.