Bericht des SD-Hauptamtes J I/6
Das SD-Hauptamtes J I/6 erstattet am 20. August 1935 folgenden Bericht:
Die gegenwärtige Tätigkeit des Judentums in Deutschland
In Vervollständigung des Berichtes J I/6 vom 17.8.35. über die augenblickliche Lage des Judentums in Deutschland dürfen im folgenden einige drastische Beispiele angeführt werden, welche die im Volke herrschende Mißstimmung über das Verhalten hoher Parteifunktionäre und führender Staatsmänner einzelnen Juden gegenüber und ebenso die allgemeine Ungewißheit von Staatsstellen in der Behandlung des Judentums unter Beweis stellen.
Während in der Zeit vor dem 30.1.1933 und in den darauffolgenden Monaten die Partei, auf ihre klaren antisemitischen Bestrebungen fußend, eindeutig ihren Weg ging, scheint es heute teilweise bereits, als wäre die Bekämpfung des Judentums vollkommen aufgegeben oder mindestens stark eingeschränkt. Auch in höheren Staatsstellen verhält es sich ähnlich.
In den einfachen Kreisen des Volkes werden gerade jetzt wieder starke und stärkste antisemitische Bestrebungen bemerkbar, die oftmals in Tätlichkeiten ausarten, was gerade die Vorfälle in jüngster Zeit in allen Teilen des Reiches beweisen. Demgegenüber können aber führende Staatsmänner öffentlich in jüdischen Geschäften ihre Einkäufe tätigen, und ebenso können Juden nach wie vor wichtige Staatsämter bekleiden. Es wäre verfehlt anzunehmen, das Volk wäre über derartige Vorkommnisse nicht unterrichtet.
Mißstände im staatlichen Leben
Der Parteigenosse A.v. Dall'Armi, München, Maximilianstr. 41, schreibt am 4. März 1935 an den Verlag des ''Stürmer '' folgenden Brief:
''Nachstehend erlaube ich mir, Ihnen folgenden Bericht zu erstatten:
Vergangenen Samstag (2. März 1935) kaufte Herr Ministerpräsident Göring zum zweiten Male in dem jüdischen Silberwarengeschäft M.T. Wetzlar, Maximilianstr. 2 ein, trotzdem bei seinem ersten Einkauf im Herbst vergangenen Jahres bei derselben Firma, sein Adjutant von mir darauf aufmerksam gemacht wurde.
Frau Wienicke (Wurzerstr. 1a) machte Herrn Ministerpräsident nach seinem Kauf darauf aufmerksam, daß obige Firma jüdisch sei. Sie erhielt jedoch lediglich die Antwort: ''Das geht mich nichts an, da die Firma nicht auf der Liste steht.''
Da wir Parteigenossen unter Androhung des Ausschlusses aus der Partei angehalten werden, nicht bei Juden zu kaufen, den Volksgenossen ebenfalls dasselbe eingehämmert wird, entsteht eine berechtigte Unruhe, noch dazu auch die Einkäufe des Herrn Ministerpräsidenten bei Bernheimer und Koch im vergangenen Jahr das Stadtgespräch gebildet haben. Im Interesse der Bewegung halte ich es für meine Pflicht, auch Ihnen diesen Vorfall mitzuteilen.
Heil Hitler!
Den Vorfall bestätigen ferner: gez. A.v. Dall'Armi, München
Martha Wienicke mit 5 Zeugen. Blockleiter der Ortsgruppe Max-Josefsplatz.
Ein gewisser M. Kunze, alter Pg . und M.d.R., Berlin, behauptet in seinem Schreiben vom 17.7.1935 an die Hauptschriftleitung des ''Schwarzen Korps'', der Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium, Generalleutnant Milch sei Jude, er wisse das genau.
Frau Magda Goebbels sei die uneheliche Tochter des jüdischen Bankiers Friedmann und Frau Emmy Göring sei in erster Ehe mit dem Juden Brandt in Frankfurt a. Main verheiratet gewesen und habe aus dieser Ehe 2 Kinder. Dieser erwähnte Brief des Pg . Kunze wird seiner Wichtigkeit wegen abschriftlich beigefügt.
Die Wehrmacht, die nach dem Willen des Führers neben der Partei der wichtigste Faktor des nationalsozialistischen Staates sein soll, ist von jüdischem Einfluß bisher nicht verschont geblieben. Auch dafür seien einige markante Beispiele angeführt.
Der Rennstallbesitzer Eberhard von Oppenheim erscheint am 4.7.1935 in Hoppegarten in der Uniform eines Offiziers des Heeres. Er ist der Sohn des getauften und unter Wilhelm II. geadelten Juden Simon Alfred von Oppenheim. Oppenheim ist als waschechter Jude bekannt.
Jüdische Firmen erhalten durch Vermittlerfirmen wichtige Heeresaufträge. Der Inhaber der Gewehrfabriken in Suhl ist der Jude Simson. Der Versuch, diesen Juden zu enteignen bzw. ihn unter wirksame Kontrolle zu stellen, scheiterte, weil die Juden einen Pg . Hoffmann als Treuhänder und Geschäftsführer zu einem riesigen Gehalt angestellt hatten; Hoffmann gilt als Freund des Reichsstatthalters Sauckel und wird von diesem unbedingt gehalten. Über jüdische Heereslieferungen könnten beliebig weitere Beweise angeführt werden.
Auch in der Polizei sind ähnliche Mißstände vorhanden. So ist teilweise das Auftreten von jüdischen und halbjüdischen Beamten bezeichnend. Der Polizeihauptmann Schmidt, Berlin Präsidiumswache Alexanderplatz, hatte vor einiger Zeit eine Absperrung durchzuführen. Der Führer mit seinem Begleitkommando wurde erwartet. Als zur angegebenen Zeit der Führer noch nicht eingetroffen war, äußerte Schmidt folgendes: ''Wann kommen denn die Säcke?'' Ein Polizeibeamter machte davon Meldung. Gegen Schmidt wurde daraufhin ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Er wurde strafversetzt. Der Beamte jedoch, der dieses Verfahren veranlaßt hatte, wurde zunächst entlassen und erst nach etlichen Monaten durch Bemühungen von Parteidienststellen wieder eingestellt. Bezeichnend für den Anklang, den solche Vorkommnisse bei übergeordneten Stellen finden ist die Tatsache, daß Schmidt bevorzugt zum Majorslehrgang kommandiert wurde.
Interessant und aufschlußreich ist ein Briefwechsel eines Kreisleiters aus Celle mit den örtlichen Behörden, der für sich spricht und drastisch darstellt, welche Bedeutung der Bekämpfung der Juden heute von verantwortlichen Stellen beigemessen wird.
Der Kreiswalter der DAF Celle, Schulze richtet an sämtliche Parteidienststellen und Behörden seines Bereichs folgendes Rundschreiben:
''Wir teilen Ihnen mit, daß wir in den letzten Wochen und Tagen wiederholt von Volksgenossen darauf aufmerksam gemacht worden sind, daß Angehörige des -------- jüdische Geschäfte betreten und Einkäufe darin getätigt haben. Es dürfte bekannt sein, daß dieses nicht gestattet ist. Wir nehmen an, daß zum größten Teil in Unkenntnis gehandelt worden ist. Um aber uniformierte Volksgenossen und Träger des Hoheitsabzeichens vor Unannehmlichkeiten zu bewahren, - denn die Empörung der deutschbewußten Vg . steigt von Tag zu Tag - ist es erforderlich, daß von Ihrer Stelle aus in regelmäßigen Appellen auf diese Umstände hingewiesen wird. Wir warnen hiermit rechtzeitig.
''Die Juden sind unser Unglück!''
Anbei erhalten Sie Zettel, auf denen die in Celle ansässigen jüdischen Firmen aufgeführt sind. Weitere Zettel stehen Ihnen zur Verfügung.
Heil Hitler!
gez. Bennat gez. Schulze
Kreisbetriebszellenobmann Kreiswalter der DAF .
Daraufhin antwortet die Flughafenleitung am 17.12.1934 u.a. wörtlich:
''..... Die Flughafenleitung muß Sie jedoch bitten, die Art dieser Belehrung der Flughafenleitung zu überlassen. Es ist nicht tragbar, daß von der Deutschen Arbeitsfront durch Ansetzen von regelmäßigen Appellen in den inneren Dienst des Flughafen eingegriffen wird.......''
Der Standortälteste schreibt unter dem 16.12.1934 u.a. folgendes:
''...... Zum Inhalt des Schreibens ist zu sagen:
1. Es wird angenommen, daß Sie in Unkenntnis gehandelt haben, wenn Sie von der Empörung deutschbewußter Volksgenossen im Gegensatz zu den Angehörigen der Wehrmacht sprechen. Die Wehrmacht nimmt das Deutschbewußtsein genau so in Anspruch wie jeder andere Volksgenosse.
2. Die Art und Weise wie derartige Vorkommnisse zu regeln sind, muß mir überlassen bleiben. Ich darf bitten in Zukunft darüber Ratschläge zu unterlassen......''
Das Finanzamt Celle antwortet am 15.1.1935 mit folgendem Schreiben:
''Betr.: Einkauf in jüdischen Geschäften. Ihr Schreiben vom 13. Dezember 1934.
Es besteht keine Anordnung, wonach den Beamten oder sonstigen Angehörigen einer Behörde der Einkauf in jüdischen Geschäften untersagt ist. Auch eine Empfehlung an die Angehörigen der Behörde, jüdische Geschäfte zu meiden, gehört nicht zu den Aufgaben eines Finanzamtes, das sich ohne allgemeine Anweisung des Herrn Reichsministers der Finanzen nicht mit derartigen politischen Angelegenheiten zu befassen hat.
Dieser Auffassung ist der Herr Präsident des Landesfinanzamtes Hannover auf Anfrage ausdrücklich beigetreten.
Ich sehe daher Ihr Schreiben vom 13. Dezember 1934 als erledigt an.
gez. Appelkamp,Beglaubigt:
gez. Müller
(L.S.) Steuerassistent.
Der Landrat des Kreises Celle antwortet am 13.12.1934 mit folgendem Schreiben:
''Auf das gefl. Schreiben vom 13. Dezember dieses Jahres Tagb. Nr. 34 - erwidere ich ergebenst folgendes:
Es ist mir bisher nicht bekannt geworden, daß Angehörige des Landratsamtes oder Kreiswaltung Einkäufe in jüdischen Geschäften getätigt haben. Selbst wenn dies aber der Fall sein sollte, so sehe ich mich nicht in der Lage, dem dortigen Ersuchen nachzukommen und darauf hinzuweisen, daß den Volksgenossen nicht gestattet sei, jüdische Geschäfte zu betreten und Einkäufe darin zu tätigen. Ein solches, von der Staatsregierung erlassenes Verbot besteht nicht; vielmehr hat der Herr Reichswirtschaftsminister in einem Schreiben an den deutschen Industrie- und Handelstag in Berlin vom 8. September 1933 sich darin ausgesprochen, daß er eine Unterscheidung zwischen arischen und nicht arischen oder nicht rein arischen Firmen innerhalb der Wirtschaft nicht für durchführbar halte. Dieses Schreiben ist mir von dem Herrn Regierungspräsidenten zur Beachtung mitgeteilt.
Heil Hitler!
gez. Heinichen.
Partei
Auch hier könnten wiederum viele Fälle angeführt werden, die das unverantwortliche Treiben einzelner Parteiführer und Unterführer kennzeichnen.
Es ist nichts neues mehr, daß Parteifunktionäre sich in der übelsten Anstoß erregendsten Form in öffentlichen Lokalen mit Jüdinnen zeigen, oder aber, daß sich solche Führer schützend vor Juden und jüdischen Firmen stellen, bloß um dadurch letzten Endes persönliche Vorteile zu erlangen.
Auf den jüdischen Einfluß im NSDFB (Stahlhelm) darf hier auch noch einmal hingewiesen werden.
Auch mehren sich die Meldungen aus allen Teilen des Reiches über Juden im Reichsluftschutzbund.
An allen nur möglichen Stellen versuchen die Juden im öffentlichen Leben immer mehr Einfluß zu gewinnen, um schließlich wieder einmal, schneller als vielleicht abzusehen ist, in jeder Beziehung führend und beherrschend zu werden.
Es kann daher nicht genügend auf diese Gefahr hingewiesen werden.