Bericht aus Neumarkt
Die Gendarmerie Neumarkt erstattet am 27. Juli 1935 folgenden Bericht:
In dem Cafe- und Wirtschaftsbetrieb ''Kainz'' in Neumarkt i.d. Opf. verkehrten seit Jahren in der Hauptsache Juden. Die Wirtschaftsführung war aber vor dem Pächter Scherdl nicht besonders gut, so daß auch der Gästebesuch mehr und mehr nachließ. Die Juden hatten aber dort ihre regelmäßigen Gesellschaftstage eingerichtet, weshalb sich ihr Besuch noch mehr vermehrte. Deshalb ist es auch begreiflich, daß sich die judenfeindliche Bevölkerung in andere Wirtschaftslokale begab.
Nach Übernahme der Wirtschaft durch den Pächter Scherdl, wurden die Ansprüche der Gäste in jeder Weise zufriedengestellt. Dadurch wurde der Wirtschaftsbetrieb alsbald gehoben und Scherdl verstand es auch, andererseits die Gäste zu gewinnen. Daß nun die Juden bei der besseren Wirtschaftsführung nicht weniger wurden, ist selbstverständlich. Richtig ist, daß Scherdl und seine Frau judenfreundlich eingestellt waren, daß beide mit den Juden Karten spielten und sich sonst mit ihnen unterhielten. Dies war aber nicht nur bei den Juden, sondern auch bei den übrigen Gästen in der gleichen Weise der Fall. Von einer Bevorzugung irgendeiner Seite wird man wohl nicht sprechen können. Die Eheleute Sch. gaben sich eben so, wie dies bei geschäftstüchtigen Leuten ist. Daß sich Scherdl, für manchen Busen einer Jüdin interessiert haben soll, dürfte eine Behauptung sein, die nicht bewiesen werden kann. Diese Behauptung wird auch als aus der Luft gegriffen angesehen.
In sonstiger sittlicher Beziehung hat Sch. hier in keiner Weise zu Beanstandungen Anlaß gegeben. Bei dem Wirtschaftsbetrieb hatte er auch 2 Fremdenzimmer, doch konnte hinsichtlich der Kuppelei keine Wahrnehmungen gemacht werden. Es mag sein, daß er in dieser Richtung etwas leicht ist, doch kann ihm von hier aus nichts Nachteiliges nachgesprochen werden.
Nach der Machtübernahme im Jahre 1933 und mit dem Eintritt der allgemeinen Judenbekämpfung stellte sich Sch. nicht um. Da sich die Juden in den sonstigen Lokalen nicht mehr halten konnten, bekam Sch. von dieser Seite noch mehr Zuzug, während sich die anderen Gäste allmählich aus dieser Wirtschaft zurückzogen. Bei Scherdl verkehrten dann in der Hauptsache nur noch Juden und Gesinnungsgenossen der früheren marxistischen und kommunistischen Verbände.
Im Jahre 1934 brannte die an die Wirtschaft angebaute Kegelbahn nieder. Die Brandursache blieb ungeklärt, doch spricht man davon, daß es deshalb brannte, weil Sch. in seinem Lokal die Juden immer noch duldete.
Von Seiten der Wirtschaftsbesitzerin Kainz und von der hiesigen Kreisleiterin wurde Sch. aufgefordert, den Juden den Zutritt zu verwehren. Sch. erklärte sich hierzu auch bereit, stellte aber an die Frau Kainz die Bedingung, daß sie den Pachtpreis ermäßigen müßte. Er begründete dies damit, daß er von der Seite der nationalen Verbände keine Wirtschaftsbesuche erwarten könne, weil dies ohnedies ihre Lokale haben und somit seine Existenz in Frage gestellt werde. Die Frau Kainz ging auf das Ansinnen des Sch. nicht ein, so daß die Wirtschaft in der gleichen Weise weitergeführt wurde. Da das Cafe Kainz allgemein als Judenwirtschaft bezeichnet wurde, sah sich die Besitzerin im Jahre 1935 veranlaßt, dem Sch. zu kündigen, um dann die Wirtschaftsführung selbst zu übernehmen.
Währende Sch. die Wirtschaft führte, gab er in sonstiger polizeilicher Hinsicht zu keiner Beanstandung Anlaß. Er sah allgemein auf Ordnung und ließ keine Rauferei etc. aufkommen.
Am Geburtstage des Führers im Jahre 1934 veranlaßte Sch. aus eigener Initiative die Aufstellung von Sammelbüchsen in der Wirtschaft zur Unterstützung armer Kinder. Er lieferte dann auch einen Betrag von 80 RM auf der hiesigen Kreisleitung ab. Außerdem verpflegte er auf eigene Kosten 25 arme Kinder.
Sch. gilt hier allgemein als tüchtiger Geschäftsmann. Die über ihn umlaufenden Gerüchte entsprechen nicht den Tatsachen bezw. sie können in keiner Weise bewiesen werden. Daß seine Wirtschaft das einzige Judenlokal nach der Machtübernahme hier noch war, ist eine feststehende Tatsache.