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Chronik und Quellen
1935
Juli 1935

Bericht aus Alzenau

Das Bezirksamt Alzenau erstattet am 27. Juli 1935 folgenden Bericht für Juli 1935:

Mitte Juli wurde in Mömbris nächtlicherweile wiederum ein Tuchtransparent quer über die Straße gespannt, das zum Judenboykott aufforderte. Auf mein Ersuchen hat die Kreisleitung dieses Transparent , das an 2 Starkstrommasten befestigt war und nur von elektrotechnisch vorgebildeten Fachleuten an Ort und Stelle angebracht worden sein konnte, wieder entfernen lassen. Am nächsten Morgen befand es sich aber schon wieder an der gleichen Stelle. Es ist nach einigen Tagen auf Veranlassung der neuerlich verständigten Kreisleitung zum 2. Male abgenommen worden.

Der jüdische Metzger Moritz Löwenthal in Hörstein wurde am 11.7.35 zur Sicherung seiner eigenen Person in Schutzhaft genommen, weil sich in einem Teil der Bevölkerung gegen ihn eine starke Erbitterung geltend gemacht hatte, die Ausschreitungen befürchten ließ. Löwenthal pflegt kranke Kühe zu schlachten und deren Fleisch billig zu verkaufen. Die ordnungsmäßige Fleischbeschau wurde hiebei freilich in keinem Falle versäumt, weshalb eine Strafverfolgung des Löwenthal wohl nicht in Frage kommt. Da es Löwenthal jedoch bei einer Kuh, die an Starrkrampf litt, unterlassen hat, den Fleischbeschauer auf den krankhaften Zustand des Tieres ausdrücklich aufmerksam zu machen, erscheint sein Verhalten immerhin anfechtbar und der Unmut der Bevölkerung begreiflich. Die Frage, ob ihm auf Grund dieser Handlungsweise der Gewerbebetrieb untersagt werden kann, wird z.Zt. geprüft. Die Entscheidung ist auch aus dem Grund nicht einfach zu fällen, weil die Landwirtschaft ein Interesse daran hat, ihr minderwertiges Vieh abstoßen zu können.

In Alzenau wurden in der Nacht zum 25.7.35 an verschiedenen Stellen mit Schreibmaschinenschrift hergestellte und vervielfältigte Plakate angeklebt und in die Haustüren geschoben, deren Inhalt sich auf hiesige Beamte und Geschäftsleute und vor allem auf die hiesigen Juden bezog. Da die Plakate keine Unterschrift und keinen sonstigen Herkunftsvermerk trugen und inhaltlich geeignet waren, die Bevölkerung in Aufregung zu versetzen, wurden sie beschlagnahmt und abgenommen. Hinsichtlich der Urheberschaft bestehen zwar bestimmte Vermutungen, aber keine festen Anhaltspunkte.

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