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Chronik und Quellen
1935
Juli 1935

Bericht aus Speyer

Der Regierungspräsident der Pfalz erstattet am 9. August 1935 aus Speyer folgenden Bericht für Juni und Juli 1935:

In mehreren Städten des Regierungsbezirkes kam es zu größeren Demonstrationen und teilweise zu selbständigen Aktionen gegen die Juden. (…)

 

Juden, Freimaurer

Eine wesentliche Zu- und Abwanderung der Juden konnte im Regierungsbezirk nicht festgestellt werden.

Der Jude Albert Felsenthal in Odenbach versuchte in letzter Zeit jüdische junge Leute (Zionisten ) bei Landwirten in Odenbach als Landhelfer unterzubringen. Es erklärten sich auch 4 Landwirte bereit, Zionisten in ihren Betrieb aufzunehmen, was eine gewisse Gegenstimmung unter den Angehörigen der NSDAP hervorrief. Im Verlaufe einer Demonstration mußte Felsenthal in Schutzhaft genommen werden.

Im Bezirk Germersheim pflegen die Juden besonders in Rülzheim teilweise wieder einen großen Briefwechsel mit Verwandten und Bekannten im Auslande. Dabei mußten in letzter Zeit wiederholt Briefe wegen ihres das Ansehen des Deutschen Reiches im Ausland schädigenden Inhalts beschlagnahmt werden.

Der Jude [N.N.a] in Niederkirchen war als unreeller Viehhändler bekannt und schon beanstandet worden. Für 1935 hat er deshalb auch schon keine Legitimationskarte ausgestellt erhalten. Trotzdem hat er auch weiterhin seine Viehkäufe getätigt. Weiterhin wurde von ihm bekannt, daß er mit einem arischen Mädchen Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Dieses gab an, daß der Jude sie auf der Fahrt von Heidelberg nach Kaiserslautern in einem Zweitklassabteil mißbraucht habe. Der Jude wurde in Schutzhaft genommen. Ebenso mußte der Jude [N.N.b] in Ingenheim in Schutzhaft genommen werden, der seit längerer Zeit ein Liebesverhältnis mit der [N.N.c] aus Kaiserslautern unterhielt.

Am 23.7. mußten der jüdische Holzhändler [N.N.d] aus Landau i.d.Pf. und seine Braut, die arische [N.N.e] in Schutzhaft genommen werden. Für beide hatte das Standesamt Landau i.d.Pf. auf richterliche Anweisung hin das Aufgebot erlassen, was zu lebhafter Erregung der Bevölkerung führte. Die beiden haben inzwischen erklärt, die gegenseitigen Beziehungen abzubrechen und den Antrag auf die Erlassung des Aufgebotes zurückzunehmen.

Vor dem Schöffengericht Pirmasens wurde der jüdische Schuhgroßhändler [N.N.f] wegen fortgesetzter Betrügereien zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Durch massenhafte Ausstellung von wertlosen Wechseln hat er im Laufe der letzten Jahren eine ganze Reihe kleiner Existenzen vernichtet.

Im Monat Juli kam es in mehreren Städten des Regierungsbezirks, besonders in Kaiserslautern, Ludwigshafen a. Rhein und Neustadt a.d. Haardt zu größeren Demonstrationen gegen die Juden. Es wurden teilweise die Käufer und Käuferinnen jüdischer Geschäfte photographiert, um die Bilder später in Schaukästen auszustellen. Durch Sprechchöre und Zettelverteilung wurde zur Meidung von jüdischen Geschäften aufgefordert und auf Straßen und an Schaufenstern Inschriften angebracht, wie ''Die Juden sind unser Unglück'', ''Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter'', ''Kauft nicht bei Juden'' u.a.. Aus Anlaß dieser Demonstrationen mußten an mehreren Orten die jüdischen Geschäftsleute zu ihrem eigenen Schutze vorübergehend in Schutzhaft genommen werden.

Auffallend ist, daß Juden in letzter Zeit außerordentlich viele Reisepässe für das In- und Ausland beantragen. Weiter ist bemerkenswert, daß nach Auflassung des bisherigen jüdischen Logen-Lokales ''Café Karlsberg'' in Kaiserslautern sich eine große Anzahl Juden in das katholische Gesellschaftshaus ''Neue Eintracht'' gezogen und dort auch widerspruchslos Aufnahme gefunden hat. Die außerordentliche Frequenz des katholischen Vereinshauses durch die Juden erhellt die Tatsache, daß am 28.7.1935 die Anwesenheit von 43 Juden festgestellt wurde.

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