Bericht aus Sigmaringen
Der Regierungspräsident der Hohenzollernschen Lande berichtet am 9. August 1935 über die Monate Juni und Juli 1935 aus Sigmaringen:
Eine an sich nicht zu beanstandende genehmigte jüdische Versammlung in der Synagoge in Hechingen am 26.6.1935 ist in der Hauptsache durch Angehörige der HJ erheblich gestört worden, ohne daß dazu durch das Verhalten von Juden eine besondere Veranlassung vorgelegen hätte. Dies hat insbesondere bei der Arbeiterschaft zu großer Mißstimmung geführt weil diese fast durchweg in jüdischer Hand ist und wie oben erwähnt schlecht beschäftigt ist. Die Arbeiterschaft befürchtet daher, daß die Betriebe stillgelegt werden und sie dadurch ihre Arbeitsplätze verlieren könnten. Die Folge waren mehrfache Auseinandersetzungen in Betriebsversammlungen zwischen der Gefolgschaft einer Textilwarenfabrik, dessen jüdischer Betriebsführer trotz seiner bekannten Fürsorge für seine Arbeiter beschimpft worden war und dem dortigen Kreisamtsleiter der Deutschen Arbeitsfront, den die Arbeitnehmer zum Teil für schuldig an den Vorgängen hielten.
Nach einigen Tagen ist jedoch dann Beruhigung eingetreten.
Während die Bevölkerung zum weitaus größten Teil tätliche Aktionen gegen die Juden ablehnt, fordert die Arbeitsfront Maßnahmen gegen die Wortführer bei diesen Auseinandersetzungen. Zu dieser sehr grundsätzlichen Frage darf ich auf die Berichterstattung der Stapostelle hier an das Gestapa in Berlin Bezug nehmen.
In Haigerloch (Kreis Hechingen) wurde der Badebetrieb für Arier und Juden amtlich geregelt. Beim Anschlag der entsprechenden Verfügung wurden einige Juden, obwohl sie sich sofort entfernten, von Angehörigen des Jungvolkes mit Schimpfworten belegt. Außerdem wurden antisemitische Lieder gesungen. Unter den Beschimpften befand sich auch eine arische Nordamerikanerin. Zwei Juden haben einige der beteiligten Juden geohrfeigt. Mit Rücksicht auf die anwesende Ausländerin ist von einer Einschreitung gegen die Juden abgesehen worden, um eine allzu starke Ausschlachtung des Vorfalls im Auslande zu vermeiden. Die Staatsanwaltschaft hat die Betreffenden auf den Privatklageweg verwiesen.
Wie im Vorjahre hat vor kurzem eine zugelassene auswärtige jüdische Jugendorganisation bei der Ortspolizeibehörde in Haigerloch (Kreis Hechingen) um Erlaubnis nachgesucht ein Ferienlager für etwa 70-80 jüdische Jugendliche im Alter von 14 bis 20 Jahren errichten zu dürfen. Die Ortspolizeibehörde hat dieses Ansuchen an die Kreisleitung in Hechingen mit dem Ersuchen um Stellungnahme weitergeleitet. Eine Antwort ist bisher nicht eingelaufen.