Bericht über Neustadt a.d.Haardt
Am 24. September 1935 erstattet das Reichsjustizministerium einen Bericht über Ereignisse am 27. Juli 1935:
Am Samstag den 27. Juli 1935 kam es in Neustadt a.d. Hardt zu einer Aktion gegen die Juden. Sie nahm ihren Ausgang von der Überwachung eines jüdischen Geschäfts durch ein Mitglied der NSDAP . Die Zurredestellung einer Frau, die in dem Geschäft einkaufte, führte zu einer Volksversammlung, deren judenfeindliche Haltung dadurch gesteigert wurde, daß 2 SA -Männer in Uniform Handzettel verteilten, die zum Boykott der Juden aufforderten. Die Menge zog dann durch die Straßen und verlangte die Schließung der jüdischen Geschäfte. Die Geschäftsinhaber kamen diesem Verlangen zunächst überall nach, sodaß es zu keinen weiteren Ausschreitungen kam. Die Lage spitzte sich erst zu, als ein Jude bald darauf sein Geschäft wieder öffnete. Die Menge betrachtete das als Provokation, verlangte die Schutzhaft des Juden und veranlaßte ihn durch einen Sprechchor herauszukommen, worauf er von 2 Männern zur Polizeiwache geführt wurde. Nun zog die Menge auch vor andere Wohnungen von Juden, um deren Verhaftung zu erwirken.
Es bildeten sich Sprechchöre, in denen der kommunistische Überfall auf die ''Bremen'' in New York und die Vorgänge am Kurfürstendamm in Berlin eine besondere Rolle spielten und als Vergeltungsmaßnahme die Schutzhaft für die Juden gefordert wurde.
Den Mittelpunkt dieser Aktion bildete eine Gruppe von Mitgliedern der NSDAP , der SA und SS , die ohne Verabredung sich zusammenfanden. Sie veranlaßten den Führer eines Mannschaftswagens der SA-Brigade, der angeblich nur aus Neugierde ausgefahren war, um sich die Vorgänge in der Stadt anzusehen, bei verschiedenen Judenwohnungen vorzufahren, und holten aus ihnen insgesamt 11 männliche Juden heraus, die teils freiwillig mitgingen, teils aber sich dagegen sträubten und daher mit Gewalt auf den Wagen gebracht wurden. Sämtliche Festgenommenen wurden in 2 Fahrten in den Hof des Rathauses verbracht und dort der Polizei übergeben. Der Stadtkommissär verfügte über sie die Schutzhaft; am 29.7.1935 wurden sie wieder entlassen. Zu Mißhandlungen der Juden oder Sachbeschädigungen kam es in keinem Fall. Als der Wagen zu einer 3. Fahrt ausfahren wollte, verhinderten dies der Oberbürgermeister und der Stadtkommissär. Die Demonstrationen setzten sich jedoch noch einige Zeit fort; sodaß die Polizei einen weiteren Juden zu seinem eigenen Schutz in Schutzhaft nahm. Schließlich griff Gauleiter Bürckel ein und verbot jede weitere Aktion. Seiner Anordnung wurde Folge geleistet; die Straßen wurden von der Polizei mit Hilfe der SS ohne Widerstand gesäubert.
Ich unterbreite diesen Vorfall mit der Bitte um Kenntnisnahme.