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Chronik und Quellen
1935
Juli 1935

Die Gestapo berichtet aus Dresden

Das Gestapa Sachsen berichtet für Juli 1935 aus Dresden:

Übersicht über die politische und wirtschaftliche Lage und über die Stimmung der Bevölkerung im Lande Sachsen

Die allgemeine innenpolitische Lage im Monat Juli gestaltete sich wesentlich unruhiger als man von der Hauptferienzeit und der Zeit der Veranstaltungspause der Partei erwarten konnte. Die Auseinandersetzungen mit den reaktionären Mächten, mit dem politischen Katholizismus und vor allen Dingen mit dem Judentum haben den aktiven Widerstandwillen vieler Kreise gegen alle Arten von Staatsfeinden gestärkt. Die Stimmung gegen den provozierenden und volksschädigenden Juden machte sich in mehreren Demonstrationen in Dresden, Leipzig, Freital und Radebeul Luft. Die öffentliche Brandmarkung der jüdischen Rasseschänder und ihrer Objekte sowie ihre unnachsichtliche [sic] Verfolgung durch die politische Polizei hat allenthalben Zustimmung gefunden. (…)

 

Kultur (…)

Der Rücktritt des Präsidenten der Reichsmusikkammer, Richard Strauß, hat in Dresden besonderes Aufsehen erregt. Man nimmt allgemein an, daß zu diesem Rücktritt die Beziehung von Strauß zu dem jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig Anlaß gegeben haben.

 

Judentum

Die Versammlungstätigkeit der jüdischen Organisationen bot in der Berichtszeit keinen Anlaß zu polizeilichem Einschreiten. Die in der ersten Monatshälfte noch beobachteten lebhaften Zusammenkünfte flauten in der nachfolgenden Zeit auf Grund der Verordnung ab, wonach nach Möglichkeit die Versammlungen besonders der deutsch-jüdischen Organisationen unterbunden werden sollen.

In Dresden fand die Gründung des Vereins ''Polnischer Staatsbürger mosaischen Glaubens'' in Anwesenheit des polnischen Konsuls statt. Bemerkenswert dabei war, obwohl die Versammlungssprache polnisch war, daß die meisten Teilnehmer überhaupt nicht polnisch verstanden.

Die allgemeine Propaganda gegen Juden wurde in allen Teilen Sachsens in erheblichem Maße gesteigert.

Besonders durch Zettel- und Plakatreklame wurde wirksam zum Kampf gegen das Judentum und zum Meiden des jüdischen Kaufmannes aufgefordert. In Dresden sowie in mehreren größeren Städten Sachsens ist den Juden das Betreten der städtischen Bäder untersagt worden. Beantragte Eheschließungen zwischen Juden und Ariern wurden in zahlreichen Fällen zurückgewiesen. In einer Großveranstaltung im Zirkus Sarrasani in Dresden sprach der stellvertretende Gauleiter von Franken, Hauptschriftleiter Karl Holtz, über das Thema: ''Die Juden sind unser Unglück'' und appellierte dabei besonders an die deutsche Frau, sich nicht mit Juden einzulassen. Dieser zielbewußte Kampf gegen die offen und getarnt geführte Zersetzung, die das Judentum planmäßig überall betreibt, stößt in allen Bevölkerungskreisen auf Verständnis und ist bereits in vielen Fällen ein Ansporn zur Mitarbeit gewesen.

Besonders hart aber wirksam wurde gegen Rassenschänder vorgegangen. Allein im Berichtsmonat wurden auf hiesige Veranlassung 34 Personen (Juden und Arier), denen Geschlechtsverkehr nachgewiesen werden konnte, in Sachsen in Schutzhaft genommen. Soweit es sich dabei um Ausländer handelt, ist deren Reichsverweisung durchgeführt bezw. eingeleitet worden. Durch namentliche Veröffentlichungen in der Tagespresse wurde die breite Öffentlichkeit auf die Gefahr der Rassenschande aufmerksam, was sich in einer Unzahl von Anzeigen bewies.

Einige Zwischenfälle, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein Eingreifen von Polizei zwar erforderlich machten, aber durch das disziplinierte Auftreten der Parteigenossen wieder beigelegt wurden, haben sich im Zusammenhange mit der Aufklärung der Judenfrage ereignet. So kam es z.B. in Dresden zu Menschenansammlungen vor dem Geschäft des Juden Hoffmann, Vorname Julius, Dresden, Blumenstraße 63 Eg., der einen Parteigenossen belästigt hatte, und vor dem Photogeschäft des Juden Salomons, Vorname Alex, Dresden, Prager Str. 22, der einen Mann, welcher sich erkundigte, ob das Unternehmen arisch sei, zur Türe hinausgewiesen hatte. In Freital b/Dresden hatte der Jude Alois Eckstein, wohnhaft in Freital, Obere Dresdner Straße 45a, eine seiner arischen Angestellten geohrfeigt, was ebenfalls Menschenansammlungen zur Folge hatte. Die Genannten wurden zu ihrer eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen und nach einigen Tagen wieder entlassen. Der Jude Dr. Richard Feibelmann, wohnhaft in Radebeul, Criegernstraße 59, hatte unter ein Heft der ''Volksgesundheit'' (herausgegeben von Gauleiter Streicher ) geschrieben: ''Wer's glaubt wird selig!'' Aus diesem Grunde sammelten sich die Einwohner vor dessen Hause an und gaben ihren Unwillen durch Sprechchöre gegen den Genannten kund. Vorläufig ist von weiteren Maßnahmen gegen Dr. Feibelmann abgesehen worden. - Vor dem Hause des wegen Betrugs beim Saisonverkauf zu 30.000 RM Geldstrafe verurteilten

Juden [N.N.], Inhaber der Fa. [N.N.] & Co., Leipzig, kam es ebenfalls zu judenfeindlichen Kundgebungen. - Von 2 SA -Männern wurde der Jude Moses Zehngut (nähere Personalien unbekannt) auf der Straße blutig geschlagen. In dieser Angelegenheit unternahm der polnische Konsul Schritte beim Polizeipräsidenten zu Leipzig.

Der genannte Konsul hat den Sächsischen Staatsminister des Innern um grundsätzliche Klärung der Frage ersucht, wie sich polnische Staatsangehörige (gemeint sind damit sicherlich polnische Juden) gegen arische Frauen verhalten sollen.

Besonders bemerkenswert für die der jüdischen Rasse eigene Anpassungsfähigkeit ist die Tatsache, daß allein in Leipzig seit der nationalen Erhebung 26 Juden in die evang.-lutherische, 5 in die katholische, 4 in die reformierte und 2 in die deutsch-katholische Kirche übergetreten sind.

 

Staat und Partei

Trotz der Versammlungsruhe, die für den Monat Juli 1935 angeordnet war, stand die Berichtszeit unter dem Zeichen erhöhter Aktivität der Bewegung. Überall wurde der Kampf gegen die Reaktion, das politisierende Priestertum und das Judentum aufgenommen, das sich auf allen Gebieten wieder breitzumachen versuchte. Besonders hat die Partei durch eindringliche Propaganda alle Volkskreise über die Gefahren des Judentums belehrt und das Rassebewußtsein erneut geschärft. Die gesamte Propagandaaktion ist in Sachsen im wesentlichen diszipliniert verlaufen. Kleine Übergriffe, die auf verständlichem Übereifer beruhen, konnten durch die Polizeibehörde zurückgedämmt werden.

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