Die Gestapo berichtet aus Potsdam
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Potsdam berichtet für Juli 1935:
Der Großhandel ist außerordentlich ungehalten darüber, daß in letzter Zeit vielfach Juden Vieh, insbesondere aber Eier in großem Umfange aufkaufen, um diese Lebensmittel nach dem Ausland zu schaffen. Infolgedessen ist eine gewisse Knappheit an Vieh und Eiern auf den Großmärkten aufgetreten, die z.B. auf dem Eiermarkt durch Abgabe von dänischen Eiern wieder behoben werden mußte. Geschieht diese Verteilung auch aus wohlerwogenen devisenpolitischen Rücksichten, so hat die Einschaltung der Juden jedoch starkes Befremden ausgelöst. (…)
Juden und Freimaurer
Das selbstbewußter und frecher werdende Auftreten der Juden hat auch in meinem Bezirk hier und da schon Gegenmaßnahmen durch die Bevölkerung hervorgerufen. So wurden in einzelnen Orten, in denen Juden gern zu verkehren pflegen, Schilder mit der Aufschrift ''Juden unerwünscht'' angebracht. In Eberswalde ist von einer Ortsgruppe der Partei ein Aushängekasten angebracht, in dem die Namen der jüdischen Geschäftsinhaber von Eberswalde ausgehängt sind. In Lehnitz b/Oranienburg kam es vor dem dortigen jüdischen Erholungsheim zu judenfeindlichen Kundgebungen, bei denen im Sprechchor ''Juden raus'' gerufen wurde. Ferner wurden an Bäume und Zäune Gedichte mit judenfeindlichem Inhalt geheftet. Auch in Neuendorf, Kreis Teltow, wo sich ein Lager des Jugendverbandes der Staatszionisten befindet, nimmt die Bevölkerung gegen die Juden Stellung.
In Wandlitz-Seebad wurden Juden von unbekannt gebliebenen Personen tätlich angegriffen und verprügelt. Trotz alledem ist z.Zt. nicht zu bemerken, daß die Juden im Auftreten zurückhaltender werden. Dies mag z.T. auch darauf zurückzuführen sein, daß sich die Juden durch die stark zunehmende Zusammenfassung in Verbänden und Vereinen und die z.Zt. wieder sehr erhebliche propagandistische Unterstützung von Seiten des Weltjudentums stärker als je zuvor fühlen. Dabei erfahren sie auch noch von reaktionären Kreisen Zustimmung und Fürsprache. Es ist geradezu beschämend, in welcher Weise hier sog. Bürgertum aus Mißfallen, wenn man von der Verurteilung unangebrachter einzelner Exzesse absieht, gegen den Nationalsozialismus eine judenfreundliche Haltung einnimmt. Dabei stehen bezeichnenderweise ehemalige Freimaurer in erster Linie.