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Chronik und Quellen
1935
Juli 1935

Die Gestapo berichtet Magdeburg

Die Gestapo des Regierungsbezirks Magdeburg erstattet am 5. August 1935 folgenden Lagebericht für Juli 1935:

Die innerpolitische Lage kann ebenso wie im Vormonat nicht als befriedigend angesehen werden. Die Zahl der Mißvergnügten nimmt zweifellos zu, ganz besonders auch in den bürgerlichen Kreisen, in denen der scharfe Kurs gegen die Juden und die reaktionären Auswüchse des NSDFB vielfach als zu weitgehend angesehen wird. (…)

 

Juden, Freimaurer usw.

Der ''Stürmer '' hat über den [N.N.a]-Prozeß, den ich bereits im vorigen Lagebericht erwähnt habe, eine Sondernummer herausgebracht. In dieser Sondernummer werden insbesondere der Bekenntnispfarrer Zuckerschwerdt, der den Rasseschänder [N.N.a] getauft hat, und der Besitzer des Cafehauses Hohenzollern - Kindermann - von dem gesagt wird, daß er, obwohl Parteigenosse, noch heute mit Juden Geschäfte tätige und vor den Judenbuben in seinem Cafe tiefer Bücklinge als vor jedem deutschen Volksgenossen mache, angegriffen. Die Sondernummer des ''Stürmer'' hat in Magdeburg einen ungeheuer großen Absatz gehabt.

Zahlreich sind die Fälle, in denen festgestellt werden konnte, daß Juden an arischen Mädchen Rasseschändungen vorgenommen und dadurch Erregung in der Öffentlichkeit hervorgerufen haben. Der Jude [N.N.b], Magdeburg, [...], wurde am 26.7.35 von hier wegen Rasseschändung festgenommen. [N.N.b] hat seit 2 Jahren seine christlichen Haushälterinnen geschlechtlich mißbraucht. Seine letzte Haushälterin, die aus Freiburg stammende geschiedene Ehefrau [N.N.c], hat er unter Ausnutzung ihrer geldlichen Notlage bereits anderthalb Stunden nach Antritt der Stelle geschändet. [N.N.b] hat in den letzten Jahren 11 Hausdamen gehabt. Um seiner sinnlichen Gier ein Ende zu bereiten, ist eine Unterbringung des [N.N.b] in einem Konzentrationslager unbedingt erforderlich. Auch der jüdische Kaufmann [N.N.d] glaubte, seine Geschlechtsgier nur bei arischen Mädchen befriedigen zu können. [N.N.d] hatte mit der jetzt erst 18-jährigen [N.N.e] ein Liebesverhältnis. Er schlief gemeinsam mit der ganzen Familie [...] - Witwe [N.N.f], 3 Mädels im Alter von 13, 16 und 18 Jahren, einem Jungen im Alter von 8 Jahren -in einem Schlafzimmer, und zwar mit der [N.N.e] gemeinsam in einem Bett. Gegen die Witwe [N.N.f] ist beim Oberstaatsanwalt in Magdeburg ein Strafverfahren wegen Kuppelei eingeleitet worden. - Die Fälle von Rassenschändungen durch Juden sind jedoch so zahlreich, daß gegen alle Juden kaum vorgegangen werden kann. Einige Juden, die in besonders schamlosen Verhältnissen zu arischen Mädchen standen, haben es rechtzeitig verstanden, sich dem Zugriff durch die Staatspolizei zu entziehen. Im Falle des Viehhändlers Juden [N.N.g], Halberstadt, der sich gleichfalls dem Zugriff durch Flucht entzogen hat, konnten nur mit Mühe Demonstrationen und Tätlichkeiten gegen die Haustochter [N.N.h] in Quedlinburg verhindert werden.

In Oschersleben fanden am 27.7.35 gegen den Juden Adolf Bormann, Inhaber eines Haushaltungs- und Galanteriewarengeschäftes, Kundgebungen statt. In Sprechchören ertönte der Ruf ''Juden raus''. Die Kundgebungen nahmen derart drohende Formen an, daß Bormann und seine Frau in Schutzhaft genommen werden mußten. Die Kundgebungen gegen Bormann fanden ihre Ursache in der allgemeinen antisemitischen Welle, die augenblicklich durch Deutschland geht und speziell darin, daß Bormann einer Verkäuferin ohne hinreichenden Grund gekündigt hatte. Die antisemitische Welle in Deutschland findet im übrigen im hiesigen Bezirk ihren Ausdruck z.Zt. darin, daß in vielen Orten Schilder angebracht werden mit dem Aufdruck: ''Hier sind Juden unerwünscht'' und daß Propagandaumzüge einzelner SA -Formationen gegen das Judentum abgehalten werden. Trotz dieser ablehnenden Stellung der deutschen Volksgenossen gegen das Judentum ereignen sich doch noch immer Fälle, aus denen die ungeheure Frechheit des Judentums zu ersehen ist. Am 16.7.35 fuhren der Jude Freudenberg, Calbe, und sein Schwager, der Drogist Krebs, in einem Abteil von Calbe nach Barby. Das Zugabteil war mit Soldaten besetzt. Beim Aussteigen gebrauchten beide den Gruß ''Guten Tag''. Als der Zug sich in Bewegung setzte, riß einer von ihnen die Tür auf und sagte zu den Soldaten: ''Wir grüßen mit dem alten deutschen Gruß ''Guten Abend'' und nicht mit dem neuen''. In Thale am Harz kam es zu Kundgebungen gegen Juden.

Am 18.7.35 fand in Magdeburg ein Kameradschaftsabend der Ortsgruppe Magdeburg des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten statt. Die Tagesordnung umfaßte 3 Punkte:

1. Sport,
2. Kriegsopferversorgung,
3. Wehrpflicht.

Der Vorsitzende Bernhardt berichtete über eine sportliche Veranstaltung in Berlin, der er als Delegierter beigewohnt habe. An dieser Veranstaltung habe er sich wieder aufrichten können, da es noch eine jüdische Jugend gebe, die Ideale habe, die nicht um Preise kämpfe, sondern in der sportlichen Betätigung das Zusammengehörigkeitsgefühl erwecken wolle. In Beziehung auf die Wehrpflicht verlas Bernhard ein Rundschreiben der Bundesleitung vom 7.6.35. Zu diesem Rundschreiben gab Bernhardt seiner Meinung dahin Ausdruck, daß dem Nichtarier (Mischling ) die Tür zum Heeresdienst nicht völlig versperrt sei, daß jedoch bei dem reinrassigen Juden eine Ausnahme auf Zulassung zum aktiven Wehrdienst nicht gemacht werden wird. Er machte im Zusammenhang damit der Versammlung die Mitteilung, daß nicht nur in Magdeburg, sondern überall im Reiche dem sich bei der Musterung zu erkennen gebenden Juden anheimgestellt wird, den in dem Rundschreiben erwähnten Antrag auf Heranziehung zum Heeresdienst zu stellen.

Es kommt noch immer vor, daß sogar Parteigenossen noch bei Juden kaufen und sich dann damit auszureden versuchen, sie hätten nicht gewußt, daß es sich um ein jüdisches Geschäft handelt. Hier ist noch eine große Erziehungsarbeit zu leisten. Darüber hinaus hat der Gauleiter jetzt alle Parteigenossen aufgefordert und allen Parteidienststellen befohlen, nur in solchen Geschäften zu kaufen, wo gemäß Aufforderung der NS-Hago an die Geschäftswelt Schilder angebracht sind mit der Aufschrift: ''Juden sind hier unerwünscht.''

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