Die Gestapo berichtet aus Berlin
Die Gestapo im Landespolizeibezirk Berlin erstattet am 22. August 1935 folgenden Lagebericht für Juni/Juli 1935:
Eine endgültige Beruhigung in der Bevölkerung wird m.E. aber erst dann eintreten, wenn die Hauptursache dieser Boykottbewegung beseitigt ist. Dies kann nur durch eine Änderung der gewerbepolizeilichen Bestimmungen erreicht werden.
Von den z.Zt. in Berlin vorhandenen Speiseeiswirtschaften befindet sich ein großer Teil in jüdischen Händen, so z.B. im Polizeiamtsbezirk Schöneberg und Wilmersdorf über 1/3 der dort vorhandenen Betriebe. Ich habe bereits dazu übergehen müssen, zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung einige Eisdielen, die außerdem in keiner Weise den gewerbepolizeilichen Anforderungen entsprachen, vorübergehend zu schließen. Ich darf aber Gelegenheit nehmen, darauf hinzuweisen, daß die bisher erlassenen Bestimmungen betr. Einrichtung von Eisdielen und Speisewirtschaften nicht ausreichen, um den Anteil der Juden an diesem Saisonbetrieb wesentlich herabzusetzen.
Die Anordnung des Reichswirtschafts-Ministers über Speiseeiswirtschaften vom 16.7.19343 (RGBl . I S. 709) schreibt vor, daß neuzuerrichtende Eisdielen konzessionspflichtig sind, während die vor dem Inkraftreten der Verordnung (18.7.1934) bestehenden Eisdielen an keine Erlaubnis gebunden sind, sondern lediglich der Meldepflicht unterliegen. Dadurch ist zwar Gelegenheit gegeben, eine weitere Ausdehnung des jüdischen Anteils an den vorhandenen Betrieben zu verhindern, für die notwendige Verminderung der alten jüdischen Betriebe findet sich jedoch keine gesetzliche Grundlage. Hinzu kommt, daß nach dem Rd .Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 21.1.1935 - III E 661/34 (2 E) (RBliV. v. 30.1.1935 S. 120) Betriebe, die in den Wintermonaten ruhen und regelmäßig bei Beginn der Speiseeiszeit in den gleichen Räumen wieder eröffnet werden, als nicht eingestellt gelten und daher nicht konzessionspflichtig sind.
Um der Gewerbepolizei weitere Handhaben zu Zurückdrängung der jüdischen Beteiligungen in diesem Gewerbezweig zu geben, darf ich vorschlagen, daß auch die bisher nur meldepflichtigen Betriebe der Konzessionspflicht nachträglich unterworfen werden.