Menü
Chronik und Quellen
1935
Juni 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo des Regierungsbezirks Osnabrück berichtet am 4. Juli 1935 über den Monat Juni 1935:

Der Vorstand der jüdischen Gemeinde in Osnabrück hat den einzelnen Mitgliedern durch Rundschreiben mitgeteilt, daß die Teilnahme an den Gottesdiensten so stark zurückgegangen sei, daß die Weiterabhaltung von Gottesdiensten in Frage gestellt sei. Wenn nicht eine Besserung eintrete, sei der ganze Fortbestand der jüdischen Gemeinde gefährdet.

In einer Tagung des Hechaluz für den Bezirk Westfalen in der hiesigen Synagoge sprach ein gewisser Heinz Seligmann über die ''Aufgaben der Histadruth in Palästina '' und ein anderer Redner über ''Zionismus am Scheideweg''. Die Redner brachten zum Ausdruck, daß der Hechaluz im Jahre 1933 nur 500 Personen umfaßt hätte, jetzt aber bereits eine Bewegung von 15.000 Menschen sei. Es gelte nicht nur, die Mitglieder des Hechaluz nach Palästina zu bringen, sondern diese schon vorher moralisch und körperlich so vorzubereiten, daß sie in Palästina als Arbeiter, Handwerker oder Landwirte bei den viel schwereren Bedingungen als in Europa ihr Fortkommen finden könnten. Der im Herbst stattfindende Zionisten-Kongreß müsse der englischen Mandatsregierung zeigen, daß eine starke zionistische Organisation vorhanden sei.

Am 22. und 23. Juni 1935 sollte hier eine Landestagung der Zionistenführer stattfinden. Die Anmeldung wurde jedoch kurz vorher wegen der zu derselben Zeit stattfindenden Wettkämpfe der Staatsjugend zurückgezogen.

Die zu Pfingsten 1935 angemeldete Veranstaltung des jüdischen Pfadfinderbundes Makkabi-Hazair in Quakenbrück, Krs. Bersenbrück, mußte aus sicherheitspolizeilichen Gründen wegen gleichzeitigen Abhaltens einer HJ - und SS -Tagung untersagt werden. Der jüdische Pfadfinderbund bat daraufhin um Genehmigung der Veranstaltung für den 22. und 23. Juni 1935 in Osnabrück. Diese Anmeldung wurde aber wieder zurückgezogen.

Klage wird darüber geführt, daß viele Arier wieder mit Nichtariern Geschäfte machen. Z.B. wird vom Kirchspiel Alfhausen im Kreise Bersenbrück übereinstimmend berichtet, daß dort die Bauern wohl fast restlos einem Juden namens Meyer, einem der reichsten Männer des Kreises, wieder ihr Vieh verkaufen. Vereinzelt wird sogar auch von Parteigenossen berichtet, daß sie beim Juden kaufen. Z.B. soll ein Amtswalter und Bäckermeister in Fürstenau ''aus Geschäftsrücksichten'' bei einem jüdischen Fleischer wiederholt Fleisch einkaufen. Nach einem in Quakenbrück umlaufenden Gerücht soll dort der erste Beigeordnete in letzter Zeit von verschiedenen Juden Vieh gekauft haben. Die Angelegenheit wird z.Zt. von den Dienststellen der Partei untersucht.

Baum wird geladen...