Menü
Chronik und Quellen
1935
Juni 1935

Die Gestapo berichtet

Die Gestapo des Regierungsbezirks Münster berichtet am 5. Juli 1935 über den Monat Juni 1935 aus Recklinghausen:

Die Freimaurer sind in letzter Zeit nicht besonders in Erscheinung getreten.

Der jüdische Kulturbund hielt auch im Monat Juni verschiedene literarische und Konzertabende ab. Der Reichsbund ''Ostjüdischer Organisationen'' veranstaltete am 16.6.35 in der Amosloge in Gelsenkirchen eine Trauerkundgebung für den verstorbenen Marschall Pilsudski. Auch die Zionisten betätigten sich lebhaft.

Zu einer außergewöhnlichen Werbemethode griff eine jüdische Firma in Gelsenkirchen. Sie kaufte für ihre Angestellten Karten bei der NSG Kraft durch Freude für eine Sonntagsfahrt. Die Angestellten mußten als Gegenleistung hierfür Reklamemützen an die Teilnehmer des Zuges und in den besuchten Ortschaften verteilen.

Die zionistische Vereinigung, Ortsgruppe Münster, hielt am 22.6.35 eine Versammlung ab, die von etwa 100 Personen, darunter 40 weibliche, besucht war. Der Generalsekretär des Kajemeth Lejisrad [sic] Jerusalem, Adolf Pollak, sprach über das Thema ''Neue Perspektiven des Palästinaaufbaues''. Er führte u.a. aus: Im Jahre 1931 seien nach Palästina ausgewandert 4.000 Juden, im Jahre 1932 - 14.000, im Jahre 1933 - 42.000, im Jahre 1934 - 35.000 und im Jahre 1935 (bis einschließlich Mai) - 60.000. Man zweifle nicht daran, daß in den nächsten Jahren die Einwanderung noch größer würde. In den folgenden Ausführungen warb der Redner unter den Anwesenden für eine Auswanderung der Juden nach Palästina. Transjordanien sei eineinhalb mal so groß wie Deutschland und dort biete sich für jeden schaffenden Juden eine Existenzmöglichkeit.

Der jüdische Repetitor, Gerichtsassessor a.D. Kaufmann in Münster, unterrichtet z.Zt. noch drei arische Studenten, darunter den Grafen Hermann von Nesselrode.

Der Kampf gegen die Juden hat im hiesigen Bezirk erneut stark eingesetzt. Fast in allen größeren Orten wurden Schaukästen, in denen die Zeitung ''Der Stürmer '' und Aufschriften antijüdischen Inhalts ausgehängt werden, aufgestellt. Auch wurden in diesen Schaukästen Namen von Bürgern und Geschäftsleuten bekanntgegeben, die bei Juden kauften bezw. wo die Geschäftsinhaber Juden sind. In Gronau ist die Glasscheibe dieses Kastens bei Nacht eingeschlagen worden. In den meisten Fällen sind die Veranstalter der Aushängung dieser Kästen darauf hingewiesen worden, daß diese Art des Boykotts entsprechend dem jüngsten Erlaß des Stellvertreters des Führers unterbleiben soll.

In der Nacht zum 8.6.35 ist an das Schaufenster des Juden Max Mannheimer in Gladbeck ein Plakat angebracht worden mit der Aufschrift: ''In diesem Geschäft wohnt ein galizischer Jude''. Neben dem Plakat war ferner die letzte Nummer des ''Stürmer'' angebracht.

In Ahlen wurde mittels Ziegelsteines bei den Juden H. Stein eine Schaufensterscheibe im Werte von 500 RM zertrümmert. Desgleichen wurde dem jüdischen Metzger Spiegel in Ahlen eine Schaufensterscheibe durch zwei Revolverschüsse zertrümmert. Demselben Juden sind bereits seit Anfang ds. Js. zweimal die Schaufensterscheiben zertrümmert worden.

In der letzten Zeit konnte die Beobachtung gemacht werden, daß die Bevölkerung mit Vorliebe bei jüdischen Metzgern kauft. Als Grund wird angegeben, daß man allgemein bei diesen Metzgern zu niedrigeren Preisen gute Ware erhalte, was die übrigen Metzger angeblich nicht könnten.

Baum wird geladen...