Die Gestapo berichtet
Die Gestapo des Regierungsbezirks Magdeburg berichtet am 5. Juli 1935 über den Monat Juni 1935:
Am 18.6.35 fand in Magdeburg vor der Strafkammer 4 des Landgerichts Magdeburg der Prozeß gegen den Juden [N.N.], Leiter der Handelsschule Bruck, Magdeburg, der am 28.4.35 verhaftet worden war, wegen Sittlichkeitsverbrechens statt. Die Verhandlung, die 2 Tage - vom 18. bis 19.6. - umfaßte, ergab Einblick in das Leben eines gefährlichen jüdischen Gewohnheitsverbrechers. Es war einerseits zu bedauern, daß die Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt werden mußten, da es dringend wünschenswert gewesen wäre, bezüglich der Judenfrage hier einmal praktisch Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Parade der aufmarschierten von [N.N.] gebrauchten deutschen Mädchen bewies das noch recht wenig vorhandene Rassebewußtsein mancher deutschen Frau. [N.N.] führte über alle diejenigen, die sich ihm hingegeben hatten, gewissenhaft Tagebuch, an Hand dessen es möglich war, [N.N.] in 5 Fällen zu überführen. Für die Einstellung des Juden [N.N.] spricht der Brief, den er während der Untersuchungshaft aus dem Gefängnis geschrieben hat und in dem er in unfreiwilliger Selbstironisierung schreibt: ''Ich bin eine traurige Berühmtheit geworden, ich bekenne, daß ich vielleicht in Unkenntnis des Gesetzes gegen das Gesetz verstoßen habe, kann mich aber vor Gott, meinem Gewissen und den Menschen rein fühlen, tat ich doch niemandem etwas zuleide''. Diesem jüdischen Glaubensbekenntnis und dieser jüdischen Unverfrorenheit sprach das Gericht folgendes Urteil: ''Der jüdische Rassen- und Mädchenschänder [N.N.] wird wegen Sittlichkeitsverbrechens in 5 Fällen zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 10 Jahren und zu 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Außerdem wird Sicherungsverwahrung ausgesprochen.'' An den Verhandlungstagen nahm auch der stellvertretende Gauleiter von Franken, Hauptschriftleiter des ''Stürmer '', Holz, teil. Holz sprach auch am Abend des 18.6.36 in der überfüllten Stadthalle zu Magdeburg über das Thema: ''Mädchenschänder [N.N.], das wahre Gesicht des Juden''. Holz rüttelte in fast zweieinhalbstündigen Ausführungen das Rassegefühl der Magdeburger auf und teilte insbesondere mit, daß noch im März 1935 der Superintendent Zuckschwerdt den Mädchenschänder [N.N.] getauft habe. Zu der durch den Fall [N.N.] akut gewordenen Frage der Judentaufe nimmt der Pfarrer Jahnecke, Magdeburg, in der Nummer 13 des Magdeburger Kirchenblattes vom 1. Juli 1935 in dem Artikel ''Sakrament der Heiligen Taufe'' Stellung. Er verlangt in seinem Artikel, daß endlich kirchliche Ordnung komme, die die völkischen Aufgaben des Staates besser fördere. Er glaubt, eine Lösung der Frage darin gefunden zu haben, daß getaufte Juden nur in juden-christlichen Gemeinden aufgenommen werden. In Verfolg des [N.N.]-Prozesses sprach dann am 26.6.35 in Magdeburg der Leiter der NS-Hago Dr. Wagner. Der Redner wandte sich scharf gegen die internationale Judenclique, die an der Boykottbewegung gegen Deutschland den Hauptanteil habe. Der Kreisleiter Rudolf Krause, Magdeburg, sprach über das Thema ''Ein Nachwort zur [N.N.]-Affäre''. Trotz der begreiflichen ungeheuren Erregung, die die Schandtaten des [N.N.] in der Bevölkerung auslösten, ist es dank der eindeutigen Stellungnahme der Kreisleitung während des Prozesses nirgends zu Ausschreitungen gegen Juden oder jüdische Geschäfte gekommen. Vorsichtsmaßregeln waren für jeden Fall von hier aus getroffen worden.
Die Ortsgruppe Magdeburg des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten veranstaltete am 5.6.35 einen Kameradschaftsabend, auf dem aktuelle Fragen der Gegenwart nicht behandelt wurden.
Im Auftrage der Zionistischen Vereinigung für Deutschland , Ortsgruppe Magdeburg, sprach am 12.6.35 in der Aula der Synagogengemeinde Magdeburg der Prediger E. Cohn, Aschersleben, über das Thema ''Judentum gestern - Judentum heute''. Er führte unter anderem aus: ''Zwischen der jüdischen Religion gestern und heute besteht ein großer Unterschied. In der jüdischen Religion von gestern wurde der Klassenunterschied groß gezogen und immer stärker. Hierdurch entstanden 2 Gruppen: Arm und Reich. Dieser Zwiespalt brachte den Tiefgang des religiösen Judentums und damit auch den wirtschaftlichen und politischen Zerfall. Im scharfen Gegensatz zum Judentum von gestern steht das Judentum von heute. Es findet eine neue, gesunde Grundlage im Lande Palästina . In Palästina wird das jüdische Volk wieder ein selbständiges und freies Volk werden.''
Über das Auftreten geschlossener jüdischer Jugendverbände in einheitlicher Tracht in Görzke, Krs. Jerichow I, habe ich bereits unter dem 17.6.35 berichtet. Es handelte sich um Angehörige des jüdischen ''Turn- und Sportvereins 05'' aus Berlin. Der Führer, Ernst Lindenheim, Berlin-Charlottenburg, Berlinerstr. 15/16, war im Besitze eines Führerausweises Nr. 21, der mit dem Siegel ''Reichsausschuß jüdischer Jugendverbände , Berlin-Charlottenburg, Kantstr. 158'' versehen war. Die jüdischen Jugendlichen sollen in der Umgebung des Dorfes Görzke Exerzierübungen abgehalten haben. Diese Vermutung wurde durch das Auffinden von Ausbildungsheften für Geländespiele, Geländesport, Exerzieren, Kommandieren pp. bestätigt. Ermittlungen über die geländesportlichen Veranstaltungen sind noch im Gange.