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Chronik und Quellen
1935
Mai 1935

Bericht aus Hildesheim

Der Regierungspräsident Hildesheim berichtet am 1. Juni 1935 über die Monate April und Mai:

Es ist eine rege Vereinstätigkeit in den Städten (Hildesheim, Göttingen) festzustellen. Der Zentralverein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens , Landesverband Nordwestdeutschland, verfolgt mit erstaunlicher Dreistigkeit die Interessen der Juden. In meinem letzten Lagebericht vom 4.April d.J. hatte ich bereits erwähnt, daß ich im März d.J. diesem Verband auf seine Eingabe wegen eines Vorfalls in Groß Bülte (Kreis Peine) abschlägig beschieden hatte. Gleichwohl hat er die Stirn, mein Einschreiten gegen den Landrat nunmehr des benachbarten Kreises Marienburg wegen eines völlig gleichliegenden Falles zu erbitten. [sic] Ich habe den Verband auf meinen grundsätzlichen ersten Bescheid verwiesen.

In Northeim nahm sich ein stadtbekannter Jude heraus, auf einem Spaziergange einen ihm begegnenden Parteigenossen dadurch zu belästigen, daß er ihm ein politisches Spottlied nachsang und ironisch ''Heil Hitler'' nachrief. Es ist unter diesen Umständen kein Wunder, wenn in der Berichtszeit in Northeim erneut Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte vorgekommen sind!

In Hildesheim hat sich die Sitte eingebürgert, bei Versammlungen der Partei oder ihrer Gliederungen die Namen bekannter Bürger, welche in jüdischen Geschäften gekauft haben, öffentlich bekannt zu geben. Der hiesige städtische Museumsdirektor, Dr. Schöndorf, welcher gleichfalls genannt daraufhin zur Rede gestellt wurde, verteidigte sich mit dem Hinweis, solange ihm seine vorgesetzte Behörde es nicht ausdrücklich verboten hätte, stände ihm der Einkauf in jüdischen Geschäften frei. Der Oberstleutnant a.D. Niemann in Hildesheim hält trotz der öffentlichen Angriffe ausdrücklich seine Verbindung mit Juden aufrecht. Typische Beispiele für den Unverstand und die Wirklichkeitsfremdheit gewisser Teile des Bürgertums! (…)

 

Wirtschaft (…)

Weite Teile der Bauernschaft fühlen sich in die Hände der Juden getrieben, die nach den umfangreichen Ermittlungen, die ich angestellt habe, im Gegensatz zu christlichen Händlern in der Lage sind, Futtermittel den Bauern zu Verfügung zu stellen. Bei allen Vorhaltungen, die ich den Bauern über die Geschäftsverbindungen mit jüdischen Kreisen gemacht habe, wird mir ohne jede Ausnahme immer wieder entgegen gehalten, daß es unmöglich sei, Futtermittel usw. bei den christlichen Händlern zu bekommen, oder sie auf Kredit zu erhalten, und daß durch die Not die Bauernschaft gezwungen sei, auch heute noch die jüdischen Händler und ihren Kredit in Anspruch zu nehmen. Die Gründe, die mir angegeben sind, haben mir die Überzeugung gegeben, daß das Verhalten weiter Kreise der Bauernschaft nicht gerechtfertigt ist. Ich habe die Überzeugung, daß eine Einwirkung von den Zentralinstanzen des Reichsnährstandes hier sehr bald Wandel schaffen kann. Ich darf in dieser Beziehung auf meinen letzten Bericht Bezug nehmen.

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