Bericht aus Hameln
Der Oberbürgermeister von Hameln berichtet am 20. Mai 1935 über „politische Angelegenheiten“:
Die in meinen Vorberichten erwähnte rege Versammlungstätigkeit der jüdischen Organisationen hat auch in der ersten Hälfte der jetzigen Berichtszeit weiter angehalten. Am 27. März 1935 fand eine Versammlung der jüdischen Gemeinde Hameln statt, zu der 27 Gemeindemitglieder erschienen waren. Es wurde die finanzielle Lage der Gemeinde besprochen. Die Gemeinderechnung wies für das abgeschlossene Geschäftsjahr einen Überschuß von RM 600 aus. Zur Deckung des für das kommende Geschäftsjahr eingesetzten Betrages wurde folgende Regelung vorgesehen: Erhebung eines Verwaltungskostensatzes von 25 RM pro Familie, Erhebung von 20% der Einkommenssteuer und 33 1/3% der Vermögenssteuer des vom Finanzamt festgesetzten Jahressolls.
Am 6. April 1935 fand eine Mitgliederversammlung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten statt, zu der sich 5 Mitglieder von 29 eingefunden hatten und in der nur organisatorische Fragen behandelt wurden.
Am 10. April 35 fand eine Versammlung der Synagogen -Gemeinde Hameln statt, in der ein Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der zionistischen Vereinigung für Deutschland - Dr. David Schloßberg - (nähere Personalien nicht bekannt), wohnhaft in Berlin - über das Thema ''Die Lage der deutschen Juden (Tatsachen, Probleme und Lösungen)'' referierte. Schloßberg trat für eine Auswanderung nach Palästina ein, die damit beginnen müsse, zuerst die heranwachsende jüdische Jugend in Palästina unterzubringen. An der Versammlung nahmen 60 Juden beiderlei Geschlechts teil.
Am 11. Mai 1935 fand ein Kameradschaftsabend des Reichsbundes der jüdischen Frontsoldaten statt, an dem 10 Mitglieder teilnahmen. Neben organisatorischen Fragen wurde den Mitgliedern Kenntnis gegeben, daß die jüdische Neusiedlung Groß-Gaglow von den Juden geräumt werden müsse, da eine Besiedlung mit Ariern erfolgen solle. Ferner wurde bekannt gegeben, daß von der Reichsregierung der Eingang der von dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gemachten Eingabe, die Allgemeine Wehrpflicht auf die Juden auszudehnen, bestätigt worden sei. Die endgültige Stellungnahme habe sich der Führer und Reichskanzler persönlich vorbehalten. Zu den beiden Punkten wurden irgendwelche Erläuterungen nicht gegeben, auch erfolgte keine Stellungnahme.