Bericht aus Breslau
Der Oberpräsident der Provinz Sachsen erstattet am 6. Juni 1935 seinen Bericht für April und Mai 1935 aus Breslau:
Regierungspräsident in Breslau hat bereits auf eine sonntägliche Neuerung im Breslauer Straßenbild hingewiesen, die darin besteht, daß SA Leute unter Vorausmarsch eines Trompetenbläsers Plakate durch die Straßen tragen, auf denen die Namen derjenigen christlichen Frauen verzeichnet sind, die mit jüdischen Männern in Beziehungen stehen. Die in Frage kommenden Namen werden an der vor dem Breslauer Rathaus befindlichen Staupsäule zur allgemeinen Kenntnis gebracht, nachdem der Demonstrationszug vorher die Wohnungen der in Frage kommenden Frauen passiert hatte. Die Bevölkerung verhält sich dazu, wie bereits der Regierungspräsident berichtet hat, teils zustimmend, teils ablehnend. Aus mir zur Kenntnis gelangten Berichten geht hervor, daß diese Demonstration nicht ohne Einfluß ist auf den jüdischen Boykott im Ausland und daß seitens jüdischer Kreise versucht wird, diese Veranstaltungen im Bilde festzuhalten. Ich nehme an, daß das in der Absicht geschieht, durch Verwendung solcher Bilder im Ausland gegen Deutschland Stellung zu nehmen.
Im übrigen ist wesentlich Neues zur Judenfrage nicht zu berichten. Die Lage ist im allgemeinen unverändert. Trotz der Agitation gegen die Juden, wie z.B. in Breslau, bleibt die bedauerliche Tatsache, daß nicht nur jüdische Ärzte nach wie vor großen Zulauf haben, sondern das Publikum überhaupt, insbesondere auch die Landbevölkerung, jüdische Geschäfte und den jüdischen Händler bevorzugt.