Bericht aus Stettin
Am 4. Juni 1935 erstattet der Polizeispräsident von Stettin folgenden Bericht für Mai 1935:
Im Monat Mai haben 26 jüdische Versammlungen stattgefunden, darunter 13 der Zionisten. Bei den zionistischen Versammlungen hat ihr Leiter Koyilowsky, Stettin, Vorträge über Palästina gehalten und die Mitglieder aufgefordert, auch dorthin auszuwandern.
Der nationalsozialistische Redner, Pg . Walter Pötsch, bereist z. Zt. den hiesigen Bezirk und hält Vorträge über das Thema ''Der Jude, die Pestbeule am deutschen Volk''. Die Versammlungen sind in der Regel recht gut besucht. Zu Ausschreitungen gegen Juden ist es in keinem Falle gekommen.
Am 7., 10. und 11.5.35 sind von jugendlichen Personen in Stettin Zettel an jüdische Geschäfte geklebt worden mit dem Inhalt: ''Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter''. Da derartige Machenschaften gegen die Bestimmungen der Reichsregierung über die Behandlung der Judenfrage verstoßen, sind diese Personen festgestellt und eindringlichst verwarnt worden. Eine Person mußte wegen seiner [sic] hetzerischen und ruhestörenden Tätigkeit in Schutzhaft genommen werden.
Der Landrat des Kr. Pyritz berichtet mir, daß die geschäftliche Tätigkeit der Juden immer noch einen erheblichen Umfang hat. Insbesondere ist beobachtet worden, daß viele Landwirte und Bauern den Handel mit jüdischen Geschäften noch fortsetzen. Allgemein ist hinsichtlich der Juden zu berichten, daß der ländliche Pferdehandel zum größten Teil sich noch in Händen von Juden befindet. Die Parteigenossen bemühen sich, ihre diesbezüglichen Einkäufe bei nichtjüdischen Händlern zu decken. Ein entsprechender moralischer Druck auf alle interessierenden Volksgenossen in dieser Hinsicht dürfte durchaus am Platze sein.
Der Landrat des Kr. Randow berichtet, daß in Köstin die Amtswalter der Arbeitsfront sich zum nationalen Feiertage am 1. Mai d.Js. den Judengastwirt Simon Heymann aus Neuenkirchen zum Ausschank von Bier und zum Verkauf von Schokolade verpflichtet hatten. Ein derartiges Verhalten der Amtswalter in Köstin, das jeder nationalsozialistischen Auffassung Hohn spricht, kann nicht genug verurteilt werden.