Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Frankfurt/O. berichtet am 4. Juni 1935 für Mai 1935:
Die jüdische Vereins- und Versammlungstätigkeit hat in der Berichtszeit nachgelassen. Es ist anzunehmen, daß dies in der Hauptsache auf die in letzter Zeit sich verstärkende antisemitische Propaganda zurückzuführen ist. Der ''Stürmer '' und neuerdings auch der ''Judenkenner '' wird in immer größerem Umfange gekauft und gelesen. In der Parteigenossenschaft ist man ebenfalls bemüht, der Judenfrage mehr als bisher Rechnung zu tragen. Es sind hier und da wieder Bestrebungen im Gange, die Besucher jüdischer Geschäfte, unter denen sich in letzter Zeit bedauerlicherweise nicht wenige Nationalsozialisten befunden haben, einer eingehenden unauffälligen Kontrolle zu unterwerfen.
Die in Berichtszeit gemeldeten jüdischen Versammlungen betrafen fast ausschließlich solche der zionistischen Bewegung. Sie wurden überwacht, gaben jedoch keine Veranlassung zu Beanstandungen. Die Beteiligung war im übrigen nur gering. In Forst z.B. wurden bei einer Veranstaltung am 15. Mai nur 14 Teilnehmer gezählt.
Von Interesse sind die Ausführungen eines jüdischen Redners, Dr. Mischkowski auf einer Versammlung, die am 13. Mai 1935 in Küstrin stattfand. Es wurde nur von dem Aufbau Palästinas gesprochen und dessen Entwicklung gesprochen. Dr. Mischkowski führte unter anderem aus:
''Im Jahre 1931 seien 5.000, 1932 - 14.000, 1933 - 43.000 und 1934 - 50.000 Palästina-Einwanderer gezählt worden. Diese hätten dem Land 1931 - 2 Millionen, 1932 - 3,2 Millionen, 1933 - 6,1 Millionen und 1934 10 Millionen englische Pfund eingebracht. In verschiedenen Städten Palästinas sei der Handel Sonntags so stark, daß man von 52 goldenen Sonntagen im Jahr sprechen könne. Die Städte stünden in voller Blüte. Jedoch mache sich auch hier schon westeuropäische Kultur, Vergnügungssucht und Luxus bemerkbar. Eine Ausnahme mache Jerusalem, das schon mit seiner Bauweise und seinem historischen Charakter für Juden und Christen die alte Stadt geblieben sei. Eine große Gefahr sei der Mangel an Facharbeitern. Bauwerke, Straßenbauten usw. blieben liegen, weil keine Arbeiter vorhanden seien. Hinzu komme noch die Landflucht, da die jüdischen Bauern das flache Land zu verlassen begonnen hätten. Die Landwirtschaft nehme für jedes Staatsgebilde den breitesten Raum ein und sei auch ausschlaggebend für die Entwicklung eines Landes. Hier besteht nun die große Gefahr, daß bei noch größerer Einwanderung nach Palästina die Landwirtschaft nicht in der Lage sei, die Bewohner zu ernähren. Weite Strecken lägen noch brach und könnten wegen Mangel an landwirtschaftlichen jüdischen Arbeitern nicht besiedelt werden. Aufgabe der zionistischen Bewegung sei, die Einwanderer nach Palästina so auszusuchen, auszubilden und umzubilden, daß sie dort auch ihren Mann stehen könnten, nicht zu ihrem eigenen Wohle, sondern zum Nutzen der ganzen zionistischen Bewegung. Es müsse dahin gewirkt werden, daß nicht die Städte als Einwanderungsziel genommen würden, um dort weiter spekulieren zu können, sondern das flache Land, um dort zu siedeln, damit das Kapital der Landwirtschaft zu gute komme.
Es fehle in Palästina an Führung und Ordnung. Wo keine Führung und Ordnung sei, herrsche Not. Die Jugend sei so heranzubilden, daß sie all diesen Anforderung gewachsen sei. Es mache sich bemerkbar, daß infolge der jüdischen Landflucht immer mehr und mehr arabische Bauern einzudringen und seßhaft zu werden versuchten.
Die Parole sei: Erwerbung und Urbarmachung von Land in Palästina, arbeiten, arbeiten und auf dem Lande bleiben.''
Der Redner erwähnte noch, daß nur der Zionismus im Judentum maßgebend sei und nicht der jüdische Frontkämpferbund.
Zu erwähnen ist noch, daß die jüdischen Siedler in Groß-Galgow, Kreis Cottbus, inzwischen nach Palästina abgereist sind.
Der jüdische Verband ''Hechaluz '' ist bemüht, weitere Siedler-Interessenten für Palästina zu gewinnen und diese zur Ausbildung bei einigen Bauern im Bezirk (Jähnsdorf, Kreis Crossen/Oder) unterzubringen.