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Chronik und Quellen
1935
April 1935

Bericht aus Wiesbaden

Der Regierungspräsident in Wiesbaden erstattet am 30. April 1935 folgenden Lagebericht für den Monat April 1935:

Die Judenschaft versucht die wirtschaftliche Verarmung und die Abtrennung von den arischen und staatlichen Bildungsstätten wie überhaupt von kultureller Beteiligung außerhalb ihres Kreises durch eine geistige und seelische Erstärkung ihrer jüdischen Weltanschauung wettzumachen. Dies lassen sowohl die wachsende Schülerzahl der jüdischen mittleren und höheren Schulen wie auch die zahlreichen Veranstaltungen, Vorträge und dergl. erkennen.

Der Einfluß der jüdischen Händler bei den Landwirten und Bauern ist im starken Wachsen. Vielfach macht sich auf dem platten Lande der restlose Ankauf des verfügbaren Schlachtviehes durch Juden, welche über den regulären Satz liegende Preise bieten, bemerkbar. Der jüdische Anteil im Viehhandel auf dem Lande wird teilweise bis zu 80% geschätzt. Die Abwehrmaßnahmen gegen den wirtschaftlichen Einfluß des Judentums haben sich im Berichtsabschnitt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gehalten.

Die arischen Geschäfte im Regierungsbezirk und im Gau Hessen Nassau sowohl in den Großstädten wie auf dem flachen Lande sind etwa seit Weihnachten, wo sich in Frankfurt a.M. die berichteten Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte ereignet hatten, in steigendem Maße dazu übergegangen, Schilder mit der Aufschrift ''Deutsches Geschäft'' anzubringen. Diese Maßnahme ist von der Gauleitung in die Wege geleitet und wird nicht ohne Druck seitens der Partei, insbesondere der NS Hago , in immer weiterem Umfange durchgeführt. Es hat sich in den von Ausländern stark besuchten Großstädten, insbesondere in Wiesbaden, das auf den Besuch reicher Ausländer entscheidenden Wert legt, gezeigt, daß die Ausländer, sei es aus Mißverständnis, sei es aus feindseliger Haltung heraus, in Geschäften mit diesen Schildern nicht einkaufen, also die nichtarischen Geschäfte bevorzugen. Da die Lage der meisten Geschäfte wirtschaftlich so ist, daß sie kaum einen Kunden entbehren können, hat sich bei manchen Geschäften ein gewisser Widerstand gegen die von der Partei propagierte Anbringung der Anschrift ''Deutsches Geschäft'' geltend gemacht. Es ist mir bekannt geworden, daß arische Geschäfte, die sich weigerten, das Schild anzubringen, von unbekannter Hand mit einem Schild ''Judenknecht '' beklebt worden sind. Auch in der örtlichen Parteipresse (Nassauer Volksblatt) ist wiederholt zum Ausdruck gekommen, daß auch in deutschen Geschäften, die das erwähnte Schild nicht anbringen, nicht gekauft werden solle. Wenn nunmehr in den letzten Tagen durch das D.N.B. die Nachricht verbreitet wird, daß nach Auffassung des Präsidenten des Werberates der deutschen Wirtschaft und des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda vor einer endgültigen Regelung die willkürliche Verwendung derartiger Schilder und Bezeichnungen unerwünscht sei, so ergibt sich hieraus eine Zwiespältigkeit in der Auffassung zwischen zentralen Stellen und den örtlichen Parteistellen, die in der Bevölkerung schwerlich verstanden wird und zu Schwierigkeiten führt.

In Wetzlar ist noch als antisemitische Propaganda die Aufstellung eines Schaukastens für die Zeitung ''Der Stürmer '' auf einem freien Platz zu erwähnen. Der Schaukasten trug zunächst die Inschrift ''Schlagt den Juden, wo ihr ihn trefft!''. Diese Inschrift ist inzwischen beseitigt worden. Außerdem befinden sich an beiden Seiten des Schaukastens zwei hölzerne Judenköpfe als Karikaturen. Ferner ist durch die Verbindung der im Schaukasten befindlichen Inschriften mit der Bezeichnung von in Wetzlar lebenden jüdischen Persönlichkeiten eine besondere Propaganda gegen das Judentum in Wetzlar eingeleitet. Es ist von mir veranlaßt worden, daß die Inschriften beseitigt werden, soweit sie gegen lebende unbescholtene jüdische Persönlichkeiten Stellung nehmen.

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