Bericht aus Marienwerder
Der Regierungspräsident in Marienwerder erstattet am 9. Mai 1935 folgenden Lagebericht für März und April 1935:
Die Versammlungstätigkeit der Juden hält sich in dem bisher üblichen Rahmen. (…)
Bei den Meldungen der Zu und Abgänge der Juden im hiesigen Bezirk ist eine auffallende Abwanderung der Juden aus den Landkreisen besonders nach Berlin zu beobachten.
Im übrigen ist zu sagen, daß der Flaggenerlaß , wonach den Juden das Zeigen der Hakenkreuz und schwarz weiss roten Flagge nicht mehr gestattet ist, auf die Juden im Bezirk einen ganz besonderen Eindruck gemacht hat, wodurch ihnen erneut bewiesen wurde, daß sie als nicht zur deutschen Volksgemeinschaft rechnend anzusehen sind.
In Marienburg ist festgestellt worden, daß die jüdischen Geschäfte neuerdings beim Verkauf ihrer Waren eine andere Taktik verfolgen. Die Lieferautos der dortigen größten Firma Conitzer & Söhne halten jetzt nicht mehr an der Haustür des zu beliefernden Kunden, sondern mindestens 3 Häuser vorher. Hierdurch werden andere Volks und Parteigenossen in den Verdacht gebracht, daß sie sich von jüdischen Geschäften beliefern lassen. Auch soll eine Angestellte der vorgenannten Firma in ihrer Privatwohnung eine größere Mustersammlung von Damenwäsche haben. Angeblich sollen viele Beamtenfrauen in dieser Wohnung die Waren besichtigen und dann bei der Angestellten Bestellungen aufgeben.