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Chronik und Quellen
1935
März 1935

Bericht aus Koblenz

Der Regierungspräsident in Koblenz erstattet am 4. April 1935 folgenden Lagebericht für die Monate Februar und März 1935:

Während der Berichtszeit wurde eine rührige Tätigkeit der jüdischen Organisationen beobachtet. Bekannt geworden sind auch zwei Fälle, in denen Juden Grundbesitz von christlichen Eigentümern erworben haben. Bei der Bevölkerung der betr. Gemeinden löste dies Empörung aus, ohne daß es zu Ausschreitungen gekommen ist. Ein bei der Stapo fernmündlich gestellter Antrag, dem Notar die Tätigung des Kaufaktes bezw. dem Grundbuchrichter die Umschreibung zu untersagen, ist dahin beantwortet worden, daß zu einem solchen Vorgehen eine rechtliche Unterlage [sic] zur Zeit noch fehle. Es wird für erwünscht gehalten, daß erwogen wird, den Erwerb von Grundbesitz durch Juden gesetzlich zu verbieten.

Die jüdischen Veranstaltungen wurden sämtlich überwacht. Sie gaben zu Beanstandungen keinen Anlaß.

Unter den im Judentum miteinander ringenden Strömungen scheinen die Zionisten langsam an Boden zu gewinnen. Nachdem die Erlasse des Gestapa vom 10.2.35 II 1 B 2 60934/J. 191/35 und vom 12.2.35 II 1 B 2 61250/J. 195/35 den Juden jede Propaganda für ein Verbleiben in Deutschland und das Zeigen der Reichsflaggen an ihren Wohnungen und Häusern untersagt worden ist, hat sich der überwiegende Teil der Juden offenbar damit abgefunden, daß das Schicksal des deutschen Judentums auf Jahrzehnte hinaus entschieden ist. Vor allem das Flaggenverbot hat in den jüdischen Bevölkerungskreisen große Bestürzung hervorgerufen. Die Zionisten setzen daher ihre Werbetätigkeit in verstärktem Maße fort und empfehlen, vor allem der jüdischen Jugend, die Auswanderung nach Palästina . Auf der anderen Seite entfalten jedoch auch der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens und der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten im geheimen und in versteckter Form nach wie vor eine rege Propaganda für ein Verbleiben in Deutschland. Die Voraussetzungen für das Verbleiben in Deutschland versucht man zunächst von der wirtschaftlichen Seite her zu schaffen. Aus allen Teilen des Bezirks wird berichtet, daß die Juden im Stillen planmäßig und mit sichtlichem Erfolge bemüht sind, die ihnen verloren gegangenen Wirtschaftsgebiete wieder zurück zu erobern, indem sie die Preise ihrer arischen Konkurrenten unter- bezw. überbieten. Dies gilt insbesondere für die jüdischen Metzger und für die jüdischen Viehhändler . Aus bäuerlichen Kreisen hört man immer wieder, daß die von den jüdischen Händlern angelegten Preise von den arischen Viehhändlern nicht zu erlangen seien.

Die Beschwerden der Judenschaft über unzulässige Boykottierung haben im Monat März nachgelassen. Sie richten sich in den meisten Fällen gegen das Anbringen von Aufschriften mit dem Inhalt ''Kauft nicht bei Juden'', ''Juden und Judenknechte unerwünscht'', ''Die Juden sind unser Unglück'', ''Ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung des deutschen Volkes'' u.ä.

Noch immer ist zu beobachten, daß einzelne deutsche Frauen und Mädchen mit Juden intimen Verkehr unterhalten. Erfreulicherweise mehren sich jedoch die Anzeichen, die darauf hindeuten, daß das Gefühl der Bevölkerung für die große Bedeutung der Reinerhaltung der Rasse im Wachsen begriffen ist. So kam es z.B. am 23. Februar 1935 in Simmern (Kreis Simmern) zu lebhaften Demonstrationen gegen die dort ansässige jüdische Bevölkerung, nachdem bekannt geworden war, daß der jüdische Viehhändler [N.N.] in Simmern sich einem arischen jungen Mädchen in unsittlicher Weise genähert hatte. Die Demonstrationen hatten zur Folge, daß an mehreren jüdischen Häusern durch Einwerfen von Fensterscheiben erheblicher Sachschaden angerichtet worden ist.

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