Bericht aus Dessau
Das Staatsministerium Anhalt gibt am 15. April für den Monat März folgende „Allgemeine Übersicht“:
Von allen Seiten wird über die zunehmende Versammlungstätigkeit der Juden berichtet. Manchmal haben jüdische Vereinigungen wöchentlich 1 2 Veranstaltungen abgehalten. Meistens sind hierbei Vorträge über die jüdische Geschichte, Gemeindeangelegenheiten und Schulungsvorträge für die jüdische Jugend über Auswanderungsmöglichkeiten nach Palästina gehalten worden. Ausführungen von symptomatischer Bedeutung oder solche, die zu polizeilichem Einschreiten Veranlassung gegeben hätten, sind in den Versammlungen nicht gemacht worden. Mit Rücksicht auf Überwachungsschwierigkeiten ist den Juden in den größeren Orten eine Einschränkung ihrer Versammlungstätigkeit auferlegt worden. Die Durchführung des Flaggenerlasses des Politischen Polizeikommandeurs vom 12.2.35 hat unter den Juden großen Unwillen hervorgerufen und zahlreiche schriftliche Eingaben und persönliche Vorstellungen, teils sogar bei den Reichsinstanzen in Berlin, zur Folge gehabt. Auch den Behörden bereitete die Durchführung des Erlasses mit Rücksicht auf die ihnen kurz hintereinander zugehenden aufhebenden bezw. wieder inkraftsetzenden Anordnungen nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten.