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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht über Sachsenhausen

Ende November 1938 berichtet ein Hamburger aus Amsterdam über sechs Tage Haft, die er zuvor in Sachsenhausen verbracht hat:

Ich bin seit dem 20. November hier in Amsterdam. Am Freitag, dem 11. November, als ich mit dem Flugzeug und einem Visum für Amerika nach Amsterdam fliegen wollte, bin ich auf dem Flugplatz verhaftet worden und in das Stadtgefängnis gebracht. Auf dem Wege dorthin behandelten uns die Kriminalbeamten, der Situation entsprechend, ordentlich. Im Gefängnis lagen wir in einem Raum, der für 30 bis 40 Leute Platz hatte, mit 220 Juden. Im Ganzen waren in F. [uhlsbüttel] damals ca. 600 verhaftete Juden untergebracht. Wir konnten wegen der Enge des Raumes nicht auf dem Rücken liegen, sondern mussten uns seitlich eng wie Sardinen in einer Büchse aneinanderpressen. Wir kamen dann mit der Bahn in das Konzentrationslager Sachsenhausen unter Polizeibewachung.

Bei der Ankunft am Sonnabendmorgen wurden wir von SS, fast ausschließlich ganz jungen Leuten, empfangen, die sich unglaublich, vor allem gegen die älteren Verhafteten, benahmen. Auf dem ganzen Wege vom Bahnhof zum Lager, den wir im Laufschritt zurücklegen mussten, wurden wir ununterbrochen beschimpft und geschlagen. Im Lager war kein Polizist, sondern nur noch SS-Leute. Wir haben 16 Stunden stehen müssen, wurden zwischendurch beschimpft und geschlagen, sodass alte Leute zusammenbrachen. Wir kamen dann nach Umkleidung - unsere Sachen wurden desinfiziert und dadurch völlig unbrauchbar - in Baracken, von denen es 60 in Sachsenhausen gibt. Die uns gelieferte Kleidung war neu und mit einem „Mogen Dovid“ in Rot und Gelb versehen. Überhaupt waren alle Sachen, insbesondere auch die Handtücher, ganz neu. Offenbar waren umfassende Vorbereitungen für die Aufnahme der jüdischen Verhafteten getroffen worden. Auch die Baracken waren neu aufgebaut. Als Aufseher im Lager dienten ältere politische Gefangene, die sich im wohltuenden Gegensatz zu dem Verhalten der SS-Leute relativ anständig gegen uns benahmen.

Auch hier in der Baracke lagen wir ganz eng, bis am folgenden Tage einige Leute in den Tagesraum gelegt wurden.

Der Tag spielte sich folgendermaßen ab: Lim 5 Uhr mussten wir aufstehen, um 6 Uhr gab es Frühstück, um 7 Uhr war Appell, der mit Schimpfen und Treten durch die SS-Leute unterbrochen wurde. Inzwischen waren die Haare geschnitten und die Bärte abgenommen.

Am Dienstag habe ich zum ersten Mal gearbeitet. Alle Tätigkeit musste im Laufschritt vollführt werden, wir hatten Sand-und Zementsäcke, teilweise auch Steine zu schleppen. Zur Ernährung hatten wir Kaffee in einer Feldflasche mitbekommen und Brot mit Auflage, aber es gab kaum Zeit zum ruhigen Essen, weil wir fortwährend im Laufschritt arbeiten mussten. Das Abendessen war dann nicht schlecht.

Ein Rabbiner Cohn wurde besonders schlecht behandelt und ständig beschimpft und bespöttelt. Ein großer Schornstein, der das Lager überragte, wurde uns von den SS-Leuten gezeigt und dabei gesagt, morgen könnten wir aus dem Schornstein den Rauch von uns aufsteigen sehen.

Am Donnerstagmorgen bin ich auf Intervention meiner Mutter, weil ich ja das Visum nach Amerika hatte, freigelassen worden.

In Hamburg habe ich gesehen, wie Leute gestohlene Sacheln] in die Fleete geworfen haben. Injüdischen Warenhäusern waren die Fenster zertrümmert, alles, was jüdisch aussah, wurde verhaftet.

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