Bericht über Dachau
Nach 1. Dezember 1938 berichtet Max Heimann über seine dreiwöchige Haft in Dachau, aus der er am 1. Dezember entlassen wurde. Danach emigrierte er nach Antwerpen:
Als „Strafe“ für solche, die den „Sport“, z. B. Kniebeugen auf langsam zweimal zehn Zeiten, nicht mitmachen konnten, wurde das berüchtigte „Baumhängen“ verhängt; der Delinquent musste einen Schemel besteigen, dann wurden seine Hände rücklings am Baum angekettet und der Schemel weggenommen. Sodann wurde ein kleiner Affe auf den Baum gesetzt, der mit dem wehrlos Gefesselten seine Scherze trieb, ihm ins Gesicht biss, ihn zu lausen versuchte usw., zum Gaudium der herumstehenden SS-Leute. Dauer: Minimum eine Stunde als Mindeststrafe.
Alte und kranke Juden, die sich über Magenbeschwerden etc. beklagten, wurden zum „Revier“ geführt und bekamen dort einen Viertel- bis einen halben Liter Rizinusöl zwangsweise eingeflößt. Sodann wurde im Freien „Strammstehen“ befohlen und dies auch bei Regengüssen volle zwölf Stunden ausgedehnt, jede Bewegung mit Kolbenstoßen und Tritten geahndet, bis die Unglücklichen abends ohnmächtig in ihrem Dreck zusammensanken. Anschließend dann zur Strafe für das „Schlappmachen“ drei bis fünf Tage Dunkelarrest oder „Bunker“.
Dachau enthielt am 30. November rund 16000 Häftlinge, davon 13000 Juden, 3000 Nichtjuden - unter Letzteren waren 5-600 sudetendeutsche Nazigegner.
Berichterstatter selbst wurde nicht geschlagen, erstens weil er als tüchtiger Sportler allen „sportlichen“ Schikanen gewachsen war, zweitens weil, wie man ihm sagte, seine beiden Brüder als Kriegsfreiwillige gefallen sind.
In den Akten, bei Aufnahme, Entlassung, Depot des abgegebenen Eigentums etc. herrscht vorbildliche preußische Ordnung. Ansprache eines SS-Offiziers bei der Entlassung: „Wer in Deutschland Gräuelmärchen erzählt, wird sofort zurückgeholt und kommt dann lebenslänglich nicht wieder heraus. Im Auslande dürft ihr meinetwegen erzählen, was ihr wollt, denn auf die Meinung des Auslandes sch... wir.“
Prügelstrafe in üblicher Form, angeschnallt auf dem Bock, mit 25 war es selten getan, es gab immer „Zusatz“, denn „ihr braucht nicht knausern, damit können wir großzügig sein, nur keine falsche Sparsamkeit mit Rücksicht auf die Devisenlage ...“
Ein älterer Jude, angeblich Arzt, wurde vom „Revier“ als Simulant abgewiesen, von seinem Sohn auf dem Rücken in die Baracke zurückgetragen und starb dann drei Stunden später in Gegenwart seines Sohnes, der unmittelbar darauf zu fünf Stunden Strammstehen abkommandiert wurde. Ein anderer Insasse, älterer Justizrat, Nebenmann des Berichterstatters, schrie während einer Nervenkrise, als er Misshandlungen anderer sah: „Das sind ja Mörder!“ und wurde in gleicher Sekunde von einem SS-Mann totgeschossen.