Bericht über Nürnberg, Fürth, Würzburg und weiteren Orten
Ein nach dem 12. Februar 1939 verfasster Bericht über die Verwüstung einer Wohnung in Nürnberg und die Behandlung der Verletzungen der Bewohner im jüdischen Krankenhaus in Fürth, über die zahlreichen dort eingelieferten Verletzten, darunter ein vierjähriges Kind aus Neustadt an der Aisch, die Zerstörung von Kunstwerken und Musikinstrumenten, weitere Pogromereignisse in Fürth, Schweinfurt, Würzburg und anderen fränkischen Gemeinden, die Enteignung der Liegenschaften der Nürnberger Gemeinde und privater Eigentümer, die Beschlagnahmung ärztlicher Praxiseinrichtungen, die Abgabe von Schmuck und Edelmetallgegenständen und die „Arisierungsabgabe“ sowie Anekdoten über die NS-Gauleiter von Nürnberg und Würzburg:
In der Nacht vom 9. zum 10. November Punkt drei Uhr klingelt es an der Haustür eines großen Einfamilienhauses. Die Frau des Hauses öffnet, nur mit Nachthemd und Morgenrock bekleidet, und sieht den ganzen Vorplatz voller SA. Man verlangt Einlass und weist sie kurz ins Schlafzimmer zurück. Ihren Mann lässt man auf ihren energischen Einspruch in seinem Bette liegen.
Die Eindringlinge begeben sich in die Wohnräume und beginnen mit ihrem Zerstörungswerk. Zwanzig Minuten lang hört man nichts als das Krachen von Beilen, Splittern von Holz und das Klirren von zerschlagenem Porzellan und Glas. Man ging gründlich zu Werk. Mit einer schweren Kristallkaraffe schlug man in die Scheiben des Bücherschrankes, in einer Glasvitrine hing nachher ein Blumentopf, es wurde nichts verschont, weder Gemälde noch Vorhänge, noch der Flügel, der mit der Axt bearbeitet wurde. Dann zogen die Zerstörer ab.
Die Hausbewohner kleideten sich notdürftig an, eines weiteren Überfalls gewärtig, der auch nicht ausblieb. Nach einer halben Stunde kehrte das Kommando zurück, und jetzt wurden die Menschen misshandelt. Der Mann, der noch im Bett lag, erhielt mehrere wuchtige Hiebe über den Kopf, die Frau, die ihren Arm schützend über seinen Kopf hielt, bekam gleichfalls einen solchen Schlag auf den Arm, dass er nachher wochenlang dunkelblau angelaufen war. Man trieb den Mann aus dem Bett und unter fortwährendem Gebrüll „Aus dem Haus raus, aus dem Haus raus“ und dauernden Schlägen über den Kopf und in den Rücken die Treppe hinunter. Beide Eheleute, die bereits in höherem Alter stehen, rennen wie gejagt die Treppe hinunter und auf die Straße, der Mann ist vom Blutverlust und den Schlägen halb bewusstlos. Zum Glück wohnt an der nächsten Straßenecke ein arischer Arzt, bei dem die Frau klingelt und der sie beide bei sich aufnimmt und sich um den Mann, der vollkommen erschöpft und am Zusammenbrechen ist, bemüht.
Der Arzt rief dann die Polizei an, die ein Sanitätsauto mit Begleitung eines Polizeibeamten schickte, das dann beide Leute nach dem jüdischen Krankenhaus in Fürth brachte. Als sie dort ankamen, war das ganze Haus in Aufruhr, alles war voll SA, Ärzte, Schwestern und Patienten waren aus dem Hause gejagt in den Garten, selbst die Schwerkranken versuchte man zum Aufstehen zu zwingen. Als das Auto mit den beiden Menschen ankam, wurde der Chauffeur angebrüllt: „Wer schickt Sie her?“ Er antwortete kurz: „Polizeipräsidium Nürnberg“, woraufhin man die Verwundeten aussteigen und ins Haus bringen ließ.
Alle Ärzte und Schwestern mussten nach Fürth auf den Marktplatz, wohin man alle Juden der Stadt zusammengetrieben hatte. Auch Patienten, die gehen konnten, mussten mit. Man wollte auch die eben angekommene Frau zwingen, mitzugehen, ließ sie aber dann auf ihren energischen Protest, dass sie ebenfalls verwundet sei, in Ruhe.
Es wurden dann im Laufe der Nacht ungezählte Verletzte, Misshandelte und Menschen, die Selbstmordversuche gemacht hatten, eingeliefert. Alle Zimmer wurden mit einer Mehrzahl von Patienten, als für die sie vorgesehen waren, belegt, auf allen Gängen musste man sie unterbringen. Ärzte und Pflegepersonal kamen, nachdem man sie wieder heimgeschickt hatte, Tag und Nacht nicht aus den Kleidern. Alle Frauen, die kamen, um nach Angehörigen zu sehen, blieben dort und halfen mit.
Die Verletzungen waren fast alle von gleicher Art. Schläge über den Kopf, auch bei Frauen, mit unerhörter Wucht beigebracht.
Ein Ehepaar wurde eingeliefert, beide mit doppelten Armbrüchen; die Frau hatte, als sie ihren Mann schützen wollte, einen solchen Schlag auf den Arm bekommen, dass er an zwei Stellen brach.
Zwei gelähmte Frauen hatte man aus ihren Betten gezerrt und sie auf dem Fußboden liegen gelassen.
Ein Mann wurde eingeliefert, der von einem Schlag eine rechtsseitige Lähmung hatte und der Sprache beraubt war wie von einem schweren Schlaganfall.
Aus Neustadt an der Aisch wurde ein vierjähriges Kind mit zerschlagenem Kinn eingeliefert.
Niemand hat einen Augenblick daran gezweifelt, dass die ganze Aktion aufs Genaueste vorbereitet war und von einer allgemeinen Volkswut nicht die Rede sein konnte. Es ist erwiesen, dass die Schlag- und Hauinstrumente in der Maschinenfabrik Augsburg (MAN) schon wochenlang vorher auf Bestellung hergestellt wurden. Nachts um zwei Uhr in der bewussten Nacht fand noch einmal ein Appell auf dem Markt statt, in dem die Waffen verteilt [wurden] und der Oberführer Obernitz noch einmal genaue Instruktionen gab.
Ein SA-Mann gab auf die Frage, ob denn Streicher eine solche Macht habe, um so etwas anzuordnen, die Antwort: „Diese Anordnung kommt vom Führer selbst.“ Und auf die traurige Frage „Muss denn das alles sein?“ nur die Antwort „Befehl ist Befehl“.
Der größere Teil der arischen Bevölkerung stand den Ereignissen apathisch gegenüber, einige, die vorher davon gewusst hatten, hatten ihre jüdischen Bekannten gewarnt.
Es ist trotz gegenteiliger Behauptungen sehr viel gestohlen und geplündert worden.
Unter den Zerstörern gab es noch besondere Zerstörungstrupps, die sich nicht damit begnügten, alles kurz und klein zu schlagen. Sie zerschnitten Teppiche, Vorhänge und Kleider buchstäblich in Streifen, sodass sie nicht mehr zu reparieren waren. Eine Dame, der man sowohl ihre Kleider wie die ihres Mädchens auf diese Weise unbrauchbar gemacht hatte, musste dem Mädchen nachher als Ersatz den festgesetzten Preis von RM 480.- bezahlen.
Kunstwerke wurden keineswegs geschont, auch solche von berühmten Meistern nicht. Ein Herr bat flehentlich, einen kleinen echten Rembrandt nicht zu zerstören, man solle ihn dem Germanischen Museum überweisen, er wolle ihn gern stiften. Man hörte nicht auf ihn und zerfetzte das Bild. In der Nacht sind eine Menge guter deutscher Kunstwerke ein Opfer der Zerstörungswut geworden, darunter Namen wie Gabriel Max, Schwind, Achenbach usw. Ferner sind eine Menge sehr schöner alter Familienportraits, zum Teil beste Biedermeierkunst, sinnlos zerstört worden. Ebenso wurden kostbare künstlerisch eingefasste Spiegel, Fayencen, wertvolle Porzellansammlungen in Trümmer geschlagen. Es kamen später zahllose Arier, um sich das anzusehen, es ist für jeden, der es nicht gehört und gesehen hat, absolut unvorstellbar. Man watete in Scherben, und keiner, der es miterlebt hat, wird aus seiner Vorstellung das Klirren, Brechen und Splittern los. Eigenartigerweise kamen später zahlreiche Arier, die selbst die beschädigten Sachen kaufen wollten, vielleicht weil sie glaubten, Wertsachen billig dabei zu erstehen.
Tragisch ist der Fall zweier Kinder, eines Knaben und eines Mädchens, die beide hochmusikalisch waren. Ihnen wurde ihr wertvollster Besitz, die Geige und das Klavier, vollkommen zerhackt, dass nicht einmal an eine Reparatur gedacht werden konnte.
In einer Wohnung bewahrte das arische Mädchen mit großer Unerschrockenheit die meisten Sachen vor der Zerstörung. Die Familie stand vor der Auswanderung und hatte den größten Teil der Sachen an den Nachfolger in der Wohnung verkauft. Zwar war der Kauf noch nicht perfekt, aber auf diese Weise rettete sie die Sachen. Von vielen Sachen erklärte sie, dass man sie ihr geschenkt habe.
Die Brutalitäten besonders gegen Frauen waren unglaublich. Eine Dame verhinderte man unter Drohungen, zu ihrer schwerkranken Mutter ins Zimmer zu gehen. Einer alten Dame, die fragte, ob denn das alles sein müsse, antwortete man: „Halt's Maul, sonst kriegst du Schläge.“ Eine andere bat, das auf dem Schreibtisch stehende Bild ihres im Kriege gefallenen Sohnes zu verschonen, es sei ihr letztes Andenken an ihn. Sie bekam zu hören: „Das geht uns nichts an, das war im Zweiten Reich.“
Zahlreich ist es vorgekommen, dass man die Bewohner im Hemde und barfuß auf die Straße jagte, um sie zu photographieren. Ein Herr, der in der Nähe der Wohnung von Streicher wohnte, musste seine Wohnung innerhalb von drei Stunden räumen, mitten in der Nacht. Er brachte sich mit Mühe bei Freunden unter.
In Fürth trieb man die gesamte Judenschaft auf dem großen Marktplatz zusammen, wo man sie von V24 bis 8 Uhr morgens stehen ließ. Unter ihnen befanden sich mehrere Leute von 83 und 88 Jahren sowie ganz kleine Kinder, die zum Teil im Kinderwagen mitgebracht wurden. Morgens trieb man sie dann in den einstmals von einem Juden gestifteten Saalbau, dort entließ man Frauen und Kinder, während die Männer nach Dachau abtransportiert wurden. Zugleich erschienen an allen Geschäften Zettel: „Juden Eintritt verboten“. Die Juden konnten nicht das Geringste einkaufen, sie wurden heimlich von arischen Freunden, die für sie einkauften, versorgt.
Die besonders schöne, sehr alte Synagoge wurde verbrannt und mit ihr zahlreiche wertvolle Kunstgegenstände. Jüdische Kinder wurden gruppenweise hingeführt, um sich das Schauspiel anzusehen. Ein Feuerwehrmann äußerte: „In den 37 Jahren, die ich bei der Feuerwehr bin, habe ich schon manchen Brand löschen helfen, aber dass ich einen angelegt habe, das ist mir neu.“
Jeder Trupp, der die Zerstörungen oder die Brandstiftungen ausführte, hatte einen Führer, der die Aktion kommandiert hat.
In Schweinfurt schickte man eine Schulklasse zu einer ca. 80-jährigen Frau, um ihre Wohnung zu zerstören.
In Würzburg war der Anführer des Sturmes auf die Synagoge der Rektor der Universität Seyffert. Er hat sich auch nicht vor der Kleinarbeit gescheut und eigenhändig bei einem angesehenen jüdischen Bürger die Teppiche zerschnitten. Überhaupt beteiligten sich auch so genannte gebildete Leute an dem Vandalismus. So erkannte eine Dame in einem der Zerstörer den Gartenarchitekten, der ihr einmal für viel Geld ihren Garten angelegt hatte.
In vielen fränkischen Gemeinden hatten die Menschen buchstäblich keinen Bissen zum Essen und nichts zu trinken.
Noch im Februar wurde aus einer fränkischen Gemeinde ein Mann im Fürther Krankenhaus eingeliefert, der gefüttert werden musste, weil ihm die Hände zerschlagen waren.
Die Enteignungen des jüdischen Grundbesitzes wurden einer eigens zu diesem Zwecke errichteten Organisation „Heim und Haus“ übertragen. Diese verfuhr in der kürzesten Weise, indem sie den auf das Amt bestellten Personen einen Verkaufskontrakt vorlegte, in dem das Grundstück für einen Bruchteil des Einheitswertes verkauft wurde. Geld bekam der Verkäufer nicht, aber sofern man ihm die Benutzung des Hauses noch gestattete, musste er Miete bezahlen. Weigerte sich einer oder wollte er überlegen, so drohte man ihm mit Unterbringung in einem Keller des Hauses; wer da herauskam, unterschrieb blindlings alles.
Die Menschen, die auf ihren Aufruf in der Vorhalle warten mussten, mussten mit erhobenen Händen strammstehen, sobald einer der Beamten sich sehen ließ. Aus Schikane kam ununterbrochen jemand von ihnen durch den Raum, sodass die Menschen nicht einen Augenblick Ruhe hatten. Wer von Anfang an erklärte, er sei mit allem einverstanden, kam noch am besten weg, obgleich es dabei nicht blieb, sondern z. B. Häuser, die den ehemaligen Besitzern noch zum Bewohnen überlassen waren, mussten unvorhergesehen in ganz kurzem Termin geräumt werden. Das hatte oft katastrophale Folgen, da die meisten Besitzer von Villen ihr Haus voll mit Menschen, die aus ihren Mietwohnungen gejagt waren, hatten.
Die jüdische Gemeinde Nürnberg musste ihr Altersheim, ihr Schwesternheim und ihren Friedhof hergeben. Geld bekam sie nicht, aber sie musste für das Altersheim RM 350 - Miete zahlen. Ein neues Friedhofsgelände wurde ihr für RM. 100- abgenommen, und sie muss im Monat RM 80 - Miete dafür bezahlen. In der Nacht, als der „Verkauf“ abgeschlossen wurde, wurden 57 Grabsteine umgestoßen, am Tage der Beerdigung von König weitere 27.
Die Gemeinde hatte vor zwei Jahren einen Platz für eine zweite Synagoge, deren Bau durch die langsame Auflösung der Gemeinde überflüssig geworden war, mit Verlust verkauft. Sie hatte RM 60000.- erhalten, für weitere RM 60000-wurde eine Hypothek eingetragen. Der Gemeindevorsitzende wurde gerufen und gezwungen, auf diese Hypothek zu verzichten, natürlich ohne die geringste Entschädigung.
Dem Beispiel der Behörden folgend scheuten sich natürlich auch Privatpersonen nicht vor Erpressungen: Eine Dame hatte ihr gesamtes Mobiliar für RM 400 - verkauft und einen schriftlichen Kaufvertrag gemacht. Am nächsten Tage kam der Käufer wieder, erklärte, er habe viel zu teuer gekauft, er könne höchstens RM 200 - bezahlen, und drohte unzweideutig mit der SA, wenn man nicht auf seine Wünsche einginge. Die Verkäuferin gab nach. Am nächsten Tage erschien der Mann aufs Neue und erpresste noch RM100-, angeblich für den Transport der Sachen.
Das Amt „Heim und Haus“, das sich in einer der schönsten Nürnberger Villen aus ehemals jüdischem Besitz häuslich eingerichtet hatte, ist eines Tage plötzlich geschlossen worden und die meisten der Beamten verhaftet und zum Teil nach Berlin gebracht worden. Sie hatten bei den Enteignungen anscheinend zu reichlich an Provisionen verdient.
Eine besonders furchtbare Maßnahme ist die Verordnung der Abgabe von Schmuck und Silber, denn sie trifft besonders alte Menschen, die sich diese Dinge als letzten Besitz, der sie vor Hunger schützen sollte, aufgehoben hatten. Es haben sich unbeschreibliche Szenen an den Abgabestellen abgespielt, und man hat die Menschen in der niederträchtigsten Weise behandelt.
Bei den jüdischen Zahnärzten wurden die zum Teil kostbaren Einrichtungen und Instrumente, die sich viele bereits seit längerer Zeit für die Auswanderung angeschafft hatten, beschlagnahmt und enteignet. Für die drei in Nürnberg noch zugelassenen Zahnärzte, die in einer gemeinsamen Wohnung praktizieren müssen, musste die Kultusgemeinde eine der Einrichtungen, und zwar die wertloseste, zurückkaufen. Die anderen wurden versteigert. So wie zahnärztliche dürfen auch andere ärztliche Einrichtungen, Instrumente und Apparate nicht mehr bei der Auswanderung mitgenommen werden.
Alle nach dem 10. November vorgenommenen Verkäufe von Sachen unterliegen der Arisierungsabgabe. Die Sachen werden von einem Experten geschätzt, und dann wird z. B. folgende Rechnung aufgemacht:
Ein Flügel, der auf RM 500 - Wert eingeschätzt wird, muss für angeblich RM 250-, da er auch unter der Zerstörungsaktion gelitten hat, repariert werden. Von den verbleibenden RM 250 - geht der vierte Teil, RM 60-, ab. Von den RM 190-erhielt der Verkäufer RM 186.-.
Die Arisierungsabgabe fließt dem Winterhilfswerk des deutschen Volkes zu, nicht etwa dem jüdischen Hilfswerk.
Noch schlimmer sind die Abgaben, die verlangt werden für Sachen, die der Besitzer gern mitnehmen möchte. Eine goldene Herrenuhr z. B. wurde auf RM 300 - Wert eingeschätzt, die verlangte Abgabe, sofern der Besitzer sie mitnehmen wollte, wurde auf RM 900 - festgesetzt. Er verzichtete daraufhin auf die Uhr und bat, sie verkaufen zu dürfen. Von dem Erlös, der weit unter dem Taxwert lag, gingen wieder die 25% Abgabe ab, sodass er [einen] lächerlich kleinen Betrag dafür bekam.
Ein junger Pianist hatte von einer reichen Dame ihren wunderbaren Steinway-Flügel geschenkt bekommen. Er wollte ihn als einziges Stück bei seiner Auswanderung mitnehmen. Man verlangte eine Abgabe von RM 8000- von ihm. Er konnte sie nicht bezahlen und musste den Flügel zurücklassen.
Von einem reichen Ehepaar, das zudem in der Pogromnacht schwer verletzt worden war (doppelte Armbrüche), verlangte man RM 93 000 - Abgabe. Ihre gesamten wertvollen Teppiche und Schmuck mussten sie zurücklassen.
Die Schikanen, denen die Menschen ausgesetzt waren, erstreckten sich [mit] Raffinement auf alle möglichen Gebiete. Man wollte die Menschen mürbe machen. Man ließ Akten verschwinden, wenn Menschen kurz vor der Auswanderung standen, und wenn sie dann verzweifelt Anstrengungen gemacht hatten, um ihre Angelegenheiten zu retten, fand man sie auch plötzlich wieder auf.
Man verbot, noch Pakete oder Päckchen ins Ausland zu schicken. Internationale Antwortscheine durften höchstens im Monat einmal an eine Person aufgegeben werden. Man hatte das Gefühl, dass je länger der Beauftragte der Evian-Konfe-renz in Berlin verhandelte, desto rigoroser wurden die Maßnahmen.
In Berlin war ein Helldorf-Fonds eingerichtet worden, für den man den Berliner Juden ungeheure Summen abnahm, angeblich für Entschädigungen für zerstörten ausländischen Besitz.
Zur Kennzeichnung der Geistesgestelltheit der Machthaber sei noch mitgeteilt, dass Streicher zu seinem Geburtstag eine Thorarolle geschenkt erhielt, die auf dem Gelände der verbrannten Synagoge gefunden worden war.
Der Gauleiter von Würzburg Dr. Hellmuth nannte sein neugeborenes Töchterchen Gailana. Dazu gehört die folgende Erklärung: Ungefähr um das Jahr 750 herrschte in Würzburg eine Herzogin Gailana, die wegen ihres unsittlichen und gotteslästerlichen Lebenswandels bekannt war und deswegen von drei frommen Bischöfen bekämpft wurde. Sie ließ alle drei enthaupten. Die drei Märtyrer wurden heiliggesprochen, und einer von ihnen namens Kilian wurde der Schutzheilige von Würzburg. Der Herr Gauleiter nannte nun sein Kind nach der gottlosen Gailana, seinen Hund aber taufte er Kilian.