Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Frankfurt/O. berichtet am 4. Mai 1935 für April 1935:
Die Vereins und Versammlungstätigkeit hat im Berichtsmonat nachgelassen. In einer vom Vorstand der Synagogengemeinde in Küstrin am 20. März 1935 einberufenen Versammlung hat der frühere Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Landau, jetzt jüdischer Wanderredner und Inhaber einer Rechtskanzlei in Frankfurt/Oder, ausgeführt, der wöchentliche Ruhetag sei vor 3.000 Jahren von den Juden eingeführt und von anderen Völkern nachgeahmt worden. In Deutschland gebe es einen Ruhetag erst seit Einführung der Reichsgewerbeordnung. Alle großen Männer des Morgen und Abendlandes hätten aus der jüdischen Religion geschöpft. Der Jude, der dem großen Römerreiche Widerstand geleistet habe, sei auch in verschiedenen Kriegen ein tapferer Soldat gewesen. Andere große Völker, wie Ägypter, Babylonier, Griechen und Römer seien zu Grunde gegangen, ihre Kultur sei vergangen, nur das jüdische Volk sei nicht untergegangen und werde niemals untergehen. Es habe große Revolutionen überlebt und würde auch diese Revolution überleben, die Juden könnten stolz erhobenen Hauptes einhergehen, weil sie eine große Vergangenheit hätten. Sie sollten zusammenhalten und zusammenstehen im Geiste ihrer alten jüdischen Religion, die immer befruchtend auf andere Völker gewirkt habe.
Dem vorgenannten Juden wird in Zukunft besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen, zumal seine Ausführungen geeignet sind, dem internationalen Judentum, daß sich heute noch in Deutschland aufhält, erheblich den Rücken zu stärken.
Die Ortspolizeibehörde Cottbus berichtet über eine weitere Abwanderung von jüdischen Einwohnern.
Eine merkwürdige Meldung kommt aus dem Kreise Arnswalde, wo angeblich Unzufriedenheit bei manchen Parteigenossen über das Verbot des Handelns mit Juden besteht. Der Landrat berichtet hierzu wörtlich:
''Unzufriedenheit herrscht bei manchen Parteigenossen über das von der Partei erfolgte Handelsverbot mit Juden. In einem Lichtbildervortrag des Pg . Sommer, Bad Saarow, in Reetz wurde dies besonders unterstrichen und vor allem den Fleischern, soweit sie Parteigenossen waren, das Handeln mit Juden untersagt. Die Fleischer sind nicht gewillt, diesen Handel aufzugeben, weil der jüdische Händler 2 Pfg. für das Pfund mehr bezahlt als der Aufkäufer der Fettgenossenschaft und dann sofort bezahlt, während der Aufkäufer mit der Bezahlung immer in Rückstand bleiben soll. Es könnte dieser Konfliktstoff zu Unzuträglichkeiten innerhalb der Ortsgruppe Reetz führen. Auch auf dem Gebiet des Pferdehandels werden manche Parteigenossen durch die Anordnung der NSDAP wegen Handelns mit Juden angeblich in Verlegenheit gebracht. Gerade bei diesem Handel sei es für manche Parteigenossen nicht möglich, den Juden auszuschalten. Von der Bevölkerung hört man häufig, daß die christlichen Pferdehändler bei jedem 3. Pferdekauf einen Prozeß haben, den der Jude heute vermeidet.''