Die Gestapo berichtet
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Kassel berichtet am 5. April 1935 für März 1935:
Die Versammlungstätigkeit der Assimilanten hat weiter nachgelassen; offenbar treffen sich aber kleinere Gruppen jetzt mehr als bisher in Privatwohnungen. Die Staatspolizeistelle richtet hierauf ihr besonderes Augenmerk. Die Zionistenvereinigungen sind sehr rege und anscheinend durch die Entwicklung der Judenfrage höchst befriedigt. Die geschäftliche Tätigkeit der Juden ist unverändert lebhaft. Es gibt jüdische Geschäftsleute, denen es besser geht, als vor der Machtergreifung. Die Kurhessischen Bauern können es nicht lassen, mit Juden zu handeln. Es ist hier noch viel Erziehungsarbeit zu leisten.
Infolge herausfordernden Auftretens von Juden, teilweise jedoch auch ohne begründeten Anlaß, kam es im Laufe der Berichtszeit verschiedentlich zu Ausschreitungen gegen Juden. Ich habe hierüber jeweils durch Tagesmeldung berichtet.
Ein im hiesigen Bezirk ansässiger, als Marxist und 175er bekannter jüdischer Gutsbesitzer geht neuerdings mit einem Schreiben der Obersten SA Führung hausieren, in dem diese dem Rechtsbeistand des Juden mitteilt, daß eine Anzahl von SA Männern auf seine Beschwerde hin zur Verantwortung gezogen sind. Ich habe der Obersten SA Führung mitgeteilt, daß es mir völlig unverständlich ist, wie man einem solchen Juden, dem gegenüber der berechtigte Volkszorn in leider viel zu harmloser Weise zum Ausbruch gekommen ist, ein solches Schreiben in die Hände geben kann. Die alten Parteigenossen müssen, wenn sie derartiges lesen, an den Grundsätzen der Partei verzweifeln.
Aus Kreisen der kirchlich gesinnten Landbevölkerung hört man neuerdings vielfach die Ansicht, daß der bestehende religiös konfessionelle Streit vom Juden aus dem Hintergrund geschürt und für seine volksfeindlichen Zwecke ausgenutzt würde.