Bericht aus Schlüchtern
10. Februar 1935 erstattet der Landrat von Schlüchtern folgenden Bericht für Januar und Februar 1935:
Ein Generalmitgliederappell der NSDAP am 27. Januar ds. Js. war aus allen Teilen des Kreises sehr gut besucht! Bemerkenswert ist, daß dabei erstmalig vor den politischen Leitern die Notwendigkeit Steuern zu zahlen, als staatsbürgerliche Pflicht eindringlich herausgestellt wurde. Auch die übrigen dabei gemachten Ausführungen - z.B. über die Judenfrage - des stellvertretenden Gauleiters Reiner waren sachlich und überzeugend.
Sehr im Gegensatz dazu stand das Verhalten des Kreisleiters Puth, der geduldet hatte, daß auf der Hanau-Vachaer Landstraße inmitten der Stadt Schlüchtern eine lebensgroße Juden-Spottfigur aufgestellt wurde und daß die Hauptstraße der Stadt Schlüchtern mit Judenschildern bespannt wurde. Meiner an ihn als Ortspolizeiverwaltung gerichteten Weisung auf Beseitigung der Figur und der Schilder ist er nicht nachgekommen, hat es vielmehr in unhöflicher Form abgelehnt. Dadurch ist eine Spannung in den bisher vorzüglichen Beziehungen zwischen Landrat und Kreisleiter entstanden. (…)
Durch den überwältigenden Saarsieg war die Judenschaft augenscheinlich stark beeindruckt. Die Handelstätigkeit der Juden nimmt fortgesetzt zu; der Viehhandel gleitet immer mehr in ihre Hände zurück. Die Judenfrage bietet den Wühlern gegen den nationalsozialistischen Staat reichlich Agitationsstoff.