Bericht aus Wiesbaden
Der Regierungspräsident Wiesbaden erstattet am 1. März 1935 folgenden „Lagebericht“ für Februar 1935:
Die in den Vormonaten hervorgetretene Judenboykottbewegung hat in dem abgelaufenen Berichtsabschnitt eine wesentliche Beruhigung erfahren. Hierzu haben im wesentlichen die von den höchsten Parteistellen herausgegebenen Anordnungen beigetragen. Lediglich am 16. Februar 1935 erfolgte in Frankfurt am Main Sachsenhausen durch 5 SA Männer in Uniform für kurze Zeit die Boykottierung einer jüdischen Metzgerei. In allen Fällen wird seitens der Polizei schnellstens eingeschritten und die Ordnung wiederhergestellt.
Der Viehhandel der jüdischen Händler nimmt auf dem Lande weiter zu. Die Bauern geben als Grund die schlechte Bezahlung durch die Viehverwertungsgenossenschaft an. Die Viehhändler, insbesondere die Juden, sollen den Landwirten höhere Preise als die Viehverwertungsgenossenschaften bieten.
In fast allen jüdischen Versammlungen, die im allgemeinen ruhig verlaufen, wird der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß auf die gegenwärtige Zeit der Bedrängnis eine Besserung für das Judentum kommen werde, und das deshalb auszuharren sei.
Die Vereinstätigkeit der Juden ist trotz mehrfach erschwerender Auflagen weiterhin sehr rege.