Bericht aus Stettin
Der Oberpräsident der Provinz Pommern in Stettin erstattet am 7. März 1935 folgenden Bericht für Januar und Februar 1935:
Die Juden entfalten auch weiterhin eine rege Versammlungstätigkeit. So fanden in Stettin im letzten Monat 22, in Stargard 5 Veranstaltungen, meist von Unterorganisationen des Bundes der Deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens , statt.
Die Juden treten in letzter Zeit dreister und herausfordernder auf, was eine erhöhte Gegnerschaft zur Folge und wiederholt zu unliebsamen Vorkommnissen Anlaß gegeben hat. Einer wohlhabenden Jüdin Stettins, die der Winterhilfe völlig zerrissene Schuhe zur Verfügung gestellt hatte, wurden diese in einem Demonstrationszug zurückgebracht. Das Verhalten des Inhabers eines jüdischen Schuhwarengeschäfts bei der Entlassung einer Angestellten, besonders seine das Volksempfinden kränkenden Äußerungen gegenüber einem Vertreter der Arbeitsfront, haben große Erregung hervorgerufen. 5.000 Volksgenossen demonstrierten vor seinem Geschäft. Es mußte zu seiner Inschutzhaftnahme geschritten werden. Ein Teil der Demonstranten zog nach diesem Vorfall zu einem jüdischen Konfektionsgeschäft und forderte die Entfernung einer schwarz weiß roten, zur Dekoration des Schaufensters benutzten Fahne. Weigerung des Inhabers führte zu einer Schlägerei. Schaufenster eines jüdischen Geschäfts in Stettin wurden vor einigen Tagen eingeschlagen, auch über Bekleben von Schaufenstern liegen Meldungen vor.
Unwillen erregte ferner, daß, wie aus einzelnen Kreisen berichtet wird, wieder in stärkerem Umfange in jüdischen Geschäften gekauft wird. Nach einem Bericht des Landrats in Neustettin führt die Landbevölkerung in Ratzebuhr darüber Klage, daß die Getreidehändler und landwirtschaftlichen Ein und Verkaufsvereine nicht die nötigen Futtermittel zur Verfügung haben, während ein jüdischer Getreidehändler mit genügenden Futtermitteln eingedeckt ist. Es handelt sich um Soja Schrot. Lebhaft kritisiert wird die Tatsache, daß auch Juden als Korn- oder Viehhändler dem Reichsnährstand angehören. Eingehende Unterlagen zu dieser Frage liegen noch nicht vor, sollte das Material es erforderlich machen, werde ich Sonderbericht erstatten.
Die Judenfrage verlangt besondere Beachtung. Die Demonstrationen werden die Juden zur notwendigen Zurückhaltung veranlassen. Trotzdem halte ich sie für bedenklich, da sie zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen können und auch minderwertige Elemente leicht derartige Gelegenheiten zu Ausschreitungen benutzen werden. Ich habe in meiner Eigenschaft als Gauleiter den politischen Stellen dringendst Zurückhaltung empfohlen und sie sich zu bemühen veranlaßt, Vorkommnisse, die zu derartigen Demonstrationen führen können, rechtzeitig zu unterbinden.
Dringlich erscheint eine endgültige Regelung wegen der Beflaggung und Dekoration mit Schwarz Weiß Rot durch Juden. Ein grundsätzliches Verbot wird dem gesunden Empfinden der Bevölkerung am meisten entsprechen.