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Chronik und Quellen
1935
Februar 1935

Bericht aus Kassel

Der Regierungspräsident Kassel erstattet am 27. Februar folgenden Bericht für Januar und Februar 1935:

Das Verhältnis zwischen Partei und staatlichen Dienststellen ist im großen gesehen reibungslos. Unzuträglichkeiten ergeben sich aber immer wieder aus der Judenfrage . Die Parteidienststellen fühlen sich mit Recht verpflichtet, gegen den Verkehr mit Juden oder gegen die Unterstützung der Juden durch deutsche Volksgenossen einzuschreiten. Es geschieht dies aber manchmal in einer Form, welche den von der Reichsregierung erlassenen Bestimmungen zuwiderläuft. Daraus ergeben sich für die Behörden, insbesondere für die Polizeibeamten, häufig peinliche Situationen auch deshalb, weil sie gegen ihren Willen in den Ruf der Judenfreundschaft kommen, wenn sie den staatlichen Anordnungen gemäß handeln. Einige Bürgermeister im Landkreis Kassel weigerten sich, der Anordnung des Landrats auf Entfernung von Tafeln mit judenfeindlichen Inschriften zu entsprechen, weil sie, die gleichzeitig Amtswalter sind, von dem zuständigen Kreisleiter gegenteilige Befehle erhalten hätten. Durch mein und der Stapo Eingreifen wird aber jetzt hier der Wille des Staates durchgesetzt. Es wäre trotzdem zu wünschen, daß an zentraler Stelle klare Vereinbarungen über die Behandlung der Judenfrage getroffen worden. Ein Landrat weist auch auf Unzuträglichkeiten hin, die dadurch entstanden sind, daß einzelne Gendarmeriebeamte zugleich politische Leiter sind. Die Partei muß sehr oft andere Wege bei der Bekämpfung staatsfeindlicher Bestrebungen gehen als die Behörden. Die Folge ist, daß die Befehle der Partei mit den Anordnungen der staatlichen Dienststellen nicht übereinstimmen. Der Polizeibeamte, welcher gleichzeitig auch Amtswalter ist, kann daher in der Frage der Erfüllung seiner Pflichten in schwere Konflikte kommen.

 

Juden und Freimaurer

Die Freimaurerei ist nicht in Erscheinung getreten.

Wie schon in früheren Berichten hervorgehoben, wird der Jude ständig dreister. Er betätigt sich wieder ungeniert, und es ist ihm gelungen, besonders auf dem Lande wieder ins Geschäft zu kommen. Die Handelstätigkeit nimmt fortgesetzt zu. Der Viehhandel gleitet immer mehr in ihre Hände zurück. Es ist vorläufig noch eine Tatsache, daß die Viehhandelsregelung des Reichsnährstandes den Erfordernissen der Wirtschaft noch nicht genügt. Es fehlt insbesondere an geeigneten kenntnisreichen und gewandten Ankäufern. Unter diesen Umständen haben die Bauern immer neue Ausreden, wenn ihnen ihre Geschäftsbeziehungen zu Juden vorgehalten werden. Dem Vernehmen nach mußten sogar Ortsbauernführer wegen Handels mit Juden von der Bauernschaft verwarnt werden.

Der Jude selbst ist dreister geworden und kommt bei jeder Gelegenheit mit Beschwerden. Auf der anderen Seite verstärken sich die Abwehrmaßnahmen der Bevölkerung. Diese Abwehrmaßnahmen gehen leider vielfach falsche Wege, finden ihren Ausdruck in nächtlichem Fensterscheibeneinwerfen und ähnlichem. Die polizeilichen Ermittlungen bleiben bei aller Anstrengung regelmäßig ergebnislos. Es besteht aber Aussicht, daß diesen schädlichen Formen allmählich wird entgegengewirkt werden können.

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