Die Gestapo Halle berichtet
Die Gestapostelle für den Regierungsbezirk Merseburg in Halle erstattet am 5. März 1935 ihren „Lagebericht“ für Februar 1935:
Die Juden zeigen nach außen große Zurückhaltung. Ihr organisatorischer Zusammenhalt wird äußerlich nicht durch die Rassezugehörigkeit, sondern durch die Glaubensgemeinschaft in der Landes Synagogen Gemeinschaft gepflegt. Nach dem bekannt gewordenen Rundschreiben der Glaubensgemeinschaft legt die Leitung zur Zeit den Hauptwert auf die Pflege jüdischer Kultur, besonders auf das Gedenken verstorbener Juden, die sich um die jüdische Rasse verdient gemacht haben. Wenn auch dieses Verhalten kulturellen Charakter hat, so besteht doch die Gefahr, daß im Laufe der Zeit auf das politische Gebiet hinübergewechselt wird. Von hier bis zur offenen Bekämpfung der Regierung ist nur ein kleiner Schritt.
Die Versammlungstätigkeit der Juden in Halle ist äußerst rege. Die zionistische Ortsgruppe brachte einen Vortrag über ''Eindrücke aus Palästinareisen'', gehalten von Frau Friedel Bing. Der Einberufer G. Rosenbusch schilderte zunächst das immer stärker werdende Interesse der Jugend an dem Aufbau Palästinas und ging dann zur Frage der Palästina Siedlung über, zu der er zahlreiche Einzelheiten brachte. Der Kulturkreis der Synagogengemeinde veranstaltete einen Gedächtnisabend für den verstorbenen Dichter Bialek , ''den Repräsentanten ältester jüdischer Vergangenheit und zugleich jüdischer Gegenwart, der ein Verkünden ihrer fernen von besonders jüdischer Inbrunst getragenen Zukunft sei.'' Der Vortragende Dr. Rabin , Breslau, forderte am Schluß die Gemeinde auf, die Hoffnung auf Erlösung nicht aufzugeben; alle Prüfungen seien selbstverständliches Schicksal des Judentums. Er schloß mit dem Satze ''Wenn es jüdische Not gibt, sie ist auch nur Not der Menschheit. Israel wird siegen durch die Macht des Geistes, nicht seinetwegen, sondern um der Erlösung der ganzen Welt willen.''
Eine aktive Betätigung von Juden für marxistische Organisationen konnte nur in einem Falle (KPD Wittenberg) festgestellt werden, obwohl die Kleinarbeit der augenblicklichen Stapo Aktion zu Festnahmen in größtem Ausmaße geführt hat.