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Chronik und Quellen
1935
Januar 1935

Bericht aus Hannover

Am 4. Februar 1935 erstattete der Hannoveraner Regierungspräsident für Dezember 1934 und Januar 1935 folgenden „Lagebericht“:

[In den Städten beobachtet man eine rege Versammlungstätigkeit der jüdischen Organisationen.] Bemerkenswert sind die Ausführungen eines Dr. Hans Friedenthal - Berlin anläßlich einer Versammlung in Hameln über das Thema: ''Deutsches Judentum als Schicksal und Aufgabe''. Friedenthal führte aus, daß es aufgrund des ständischen Aufbaues in Deutschland nie möglich sein werde, Juden bodenständig zu machen, da immer wieder die arische Abstammung, sei es im Handwerk oder in der Landwirtschaft, nachgewiesen werden müsse. Eine Umschulung der Juden sei daher praktisch nicht durchführbar. Ostern 1935 würden 6.000 Juden aus der Schule entlassen und sei es nicht möglich auch nur einen geringen Teil irgendwo unterzubringen. Friedenthal ist selbst 8 Jahre in Palästina gewesen und schilderte in längeren Ausführungen die Vorzüge Palästinas, die Auf- und Ausbaumöglichkeiten. Er versuchte auch die von sogenannten Experten herausgegebenen ungünstigen Berichte über Palästina zu widerlegen. Das Land sei nicht wasserarm, sondern wasserreich. Außerdem böten sich große Kolonisationsmöglichkeiten. Es sei z.B. in der letzten Zeit ein Gebiet erworben, das nach der Entsumpfung für 12.000 jüdische Familien fruchtbaren Boden gebe. Es bestehe die Möglichkeit, die Einwanderungsziffer auf jährlich 70.000 zu erhöhen. Es gelte, der Welt zu beweisen, daß der Jude auch produktiv arbeiten könne. Wenn Palästina zusammenbreche, sei der Welt bewiesen, daß die Juden nur Parasiten seien, die nicht selbst arbeiten, sondern nur von andern leben könnten. Daß auch Nichtjuden Vertrauen zu Palästina hätten, beweise der Umstand, daß die zionistische Organisation vor einiger Zeit bei einer der größten englischen Banken, bei der kein Jude irgendwelchen Einfluß ausübe, eine Anleihe von einer halben Million Pfund Sterling aufgenommen habe zu einem Zinssatz von 4% während europäische Staaten, die bei derselben Bank Anleihen aufgenommen hätten 7% Zinsen zahlen müßten. Palästina sei vielleicht die letzte Chance, die auf keinen Fall unbeachtet bleiben dürfe. An die jüdische Jugend richtete Friedenthal den Appell, Sport zu betreiben. Palästina sei zu der Olympiade 1936 in Deutschland eingeladen, Die Beteiligung stehe zwar noch nicht fest, es sei aber zu erwarten, daß bei einer Beteiligung in Deutschland, wenn die Sportler den Kampfplatz betreten und die jüdische Fahne am Mast hochgezogen würde, auch die jüdische Nationalhymne gespielt würde.

In der Berichtszeit kamen wieder Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte vor. Am 22. Dezember 1934 schlugen etwa 20 SA -Männer, teils in Uniform, teils in Zivil, 14 Scheiben der Haustür und 12 Scheiben im Treppenhaus eines Juden ein.

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