Gestapa-Bericht aus Dresden
Das Gestapa für das Land Sachsen erstatte folgenden (undatierten) Bericht für den Januar 1935:
Am 1.1.1935 fand in Leipzig die Abschlußversammlung der Delegiertentagung der Agudas Jisroel Landes und Jugendorganisation Deutschlands statt. Es hatten sich etwa 600 Juden der orthodoxen jüdisch religiösen Richtung eingefunden. Der Saal mußte polizeilich gesperrt werden. 150 Teilnehmer fanden keinen Zutritt. Es sprachen jeweils 25 Minuten folgende Redner: Dr. Kohn, Ansbach, Dr. Stein, Köln, Jakob Rosenheim, Frankfurt/Main und Dr. Ehrmann , Frankfurt/Main. Jeder Jude soll wieder Glaubensjude werden.
Die Ortsgruppen des Vereins jüdischer Händler und ambulanter Gewerbetreibender, die meist dem Zentralverein angeschlossen waren, wurden auf Grund ministerieller Verordnung aufgelöst. Die Mitglieder dieses Vereins waren meist Juden mit fremder Staatsangehörigkeit.
In Bautzen hielt der Zentralverein eine große Versammlung mit dem bekannten Syndikus Kurt Sabatzky Leipzig im dortigen Kolpinghause ab. Sabatzky brachte zum Ausdruck, daß das Judentum versuchen müsse, mit dem Reiche ein Konkordat abzuschließen. In seinen weiteren Ausführungen nahm er scharf Stellung gegen den ''Stürmer ''.
Das Berliner Kulturbundorchester unter Leitung von Generalmusikdirektor Dr. Rodenstock veranstaltete in Dresden im Rahmen der jüdischen Künstlerhilfe ein Konzert. Wie alle früheren Veranstaltungen dieser Art erfreute sich der Konzertabend eines sehr starken Besuches.
Am 14.1. sprach Kantor Jaffé, Leipzig, vor der dortigen Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten über ''Kriegsbriefe gefallener deutscher Juden''. Er führte dabei aus, daß man aus den Briefen der letzten Kriegsjahre nicht mehr glühende Begeisterung herauslese, sondern eher Kriegsmüdigkeit und Sehnsucht nach der Heimat. Dies sei seiner Ansicht nach auch ganz erklärlich. Man habe das aber nicht zugeben wollen, sondern habe sich bemüßigt gefühlt, die ''Dolchstoßlegende'' zu erfinden. Wegen dieser Äußerung wurde Kantor Jaffe ernstlich verwarnt. Er erklärte hierauf, er sei bisher immer der Ansicht gewesen, für den sogen. Dolchstoß wolle man die Juden verantwortlich machen.
Ostern 1935 eröffnet der ''Jüdische Schulverein e.V.'', Dresden, eine jüdische Volksschule, Direktor wird der Lehrer Alfred Schäler, Gotha, der auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt worden ist.
Der jüdische Justizrat Dr. Drucker, Leipzig, ist durch Urteil des Ehrengerichts der sächsischen Anwaltskammer wegen gröblichster Verstöße gegen die Standesehre mit der Strafe des Ausschlusses belegt worden. Drucker war ehemaliger Präsident des deutschen Anwaltsvereins.
In Chemnitz mußte ein Jude wegen Besitzes der verbotenen Druckschrift ''Sozialistische Aktion'' festgenommen werden, gegen einen weiteren wurde Strafanzeige erstattet, weil er 2 Pistolen 08 mit dazugehöriger Munition in Besitz hatte. Er will die Pistolen aus dem Felde mitgebracht haben.