Bericht zum „Rigaer Blutsonntag“
Am 30. November („Blutsonntag“) und am 8./9. Dezember 1941 wurden fast 28.000 jüdische Bewohner des Gettos in Riga erschossen, um Platz für die Insassen von Deportationstransporten zu machen, die aus dem Reichsgebiet erwartet wurden. Eine der wenigen Überlebenden dieses Massenmordens war Frida Frid-Mikhelson, die durch Zufall und großem Glück die Erschießung überlebte, anschließend entkommen konnte und Unterschlupf bei zwei lettischen Familien fand, die sie während der gesamten Zeit der deutschen Besatzung versteckten und mit Lebensmitteln versorgten.
„Unsere Kolonne wurde aufgeteilt, und allen wurde befohlen, sich zu entkleiden. Die Deutschen stießen uns mit ihren Gewehrkolben immer näher an die Grube heran. Die Juden liefen bereits einzeln dorthin und verschwanden hinter dem Abgrund - man hörte nur noch das Rattern der automatischen Gewehre. Ich rannte auf den Offizier zu, der für die Hinrichtung verantwortlich war. Er schlug mir mit seiner Pistole auf den Kopf, und ich fiel hin. Ich befand mich direkt neben der Grube, in die die Toten geworfen wurden. Ich drückte mich auf den Boden und versuchte, mich nicht zu bewegen. Eine halbe Stunde später hörte ich jemanden auf Deutsch schreien: ‚Stell die Schuhe hierher!‘ Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits ein Stück zurückgekrochen. In diesem Moment wurde etwas nach mir geworfen. Ich öffnete ein Auge leicht und sah einen Schuh neben meinem Gesicht liegen. Ich wurde mit Schuhen zugedeckt. Ganz in meiner Nähe ertönten Schüsse, und ich konnte deutlich die letzten Schreie der Menschen hören, das Stöhnen der Verwundeten, die lebendig in das gemeinsame Grab geworfen wurden. Einige starben, indem sie ihre Henker verfluchten, andere starben im Gedenken an ihre Kinder und Eltern, wieder andere lasen laut Gebete.
Am Abend hörten die Schüsse auf. Ich beschloss, unter dem Haufen Schuhe hervorzukriechen. Ich kroch zu einem anderen Haufen - es war Männerkleidung. Ich zog die Hose und die Jacke von jemandem an und band mir ein großes Tuch um den Kopf. Ich fand eine Decke, wickelte mich darin ein und begann zu kriechen.“