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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht aus dem Rheinland

Am 16. November 1938 verfasster Sammelbericht über die Pogromereignisse im Rheinland, namentlich in Krefeld, Köln, Essen und Düsseldorf:

16. November 1938

A. im Rheinland: Ein belgischer Katholik besuchte die Verwandten einer Antwerpener jüdischen Familie. - Er traf sieben weinende und verstörte Frauen in einer Küche sitzend, auf leeren Kisten, die aus dem Keller geholt waren. - Möbel oder Geschirr restlos vernichtet. Kein Glas, kein Teller. Da die Möbel zu groß waren, um durch die Fenster zu gehen, hat die „spontane“ Volkswut vorher an mehreren Fenstern die Fensterrahmen herausgebrochen, um Öffnung zu schaffen. Die Frauen hausen also in einer Wohnung ohne Fenster. An Kleidung besitzen sie nur, was sie am Leibe tragen, alles andere ist verschwunden. Die Männer - darunter ein betagter jüdischer Lehrer - befinden sich in „Schutzhaff“, angeblich in der Strafanstalt Anrath (Zuchthaus).

Krefeld: Eine 85-jährige Greisin musste zu Verwandten flüchten. Essen kann sie nicht, denn ihr Gebiss war unter den Trümmern der nächtlichen Aktion nicht mehr zu finden - sehen kann sie nicht, denn ihre Brille teilte das Schicksal aller zerbrechlichen Bedarfsgegenstände.

B.: Bei der Demolierung der Wohnung einer alleinstehenden jüdischen Witwe wurde angeblich auch nach Waffen gesucht. Hierbei verschwanden außer einer größeren Summe Bargeld auch zwei Sparkassenbücher. Somit ist die Frau buchstäblich ohne einen Pfennig, um sich das Nötigste zu kaufen.

Köln: Unter den Massenverhaftungen befindet sich der Arzt Dr. Wallach, früher Andernach, der trotz eines schweren Nierenleidens in das berüchtigte Lager nach Weimar (Steinbrüche) transportiert wurde. Trotz dringender Bitten waren Auskünfte über sein Schicksal bisher nicht zu erhalten.

Essen-Ruhr: Das Schuhhaus Schartenberg (Limbecker Straße) wurde völlig verwüstet und ausgeraubt. Als der Inhaber Ludwig Schartenberg versuchte, der Brandstiftung entgegenzutreten und das Feuer zu löschen, wurde er von einem SA-Mann erschossen. Der Täter wurde von der Polizei nicht festgenommen und entkam unerkannt. (Bericht noch nicht geprüft.) Düsseldorf: Verschiedene, in den Einzelheiten widerspruchsvolle Meldungen berichten von der Ermordung des Rabbiners Dr. Eschelbacher, der angeblich Gegenstände aus der brennenden Synagoge retten wollte. Eine weitere Meldung besagt, dass Rabbiner Dr. Klein nach Misshandlungen durch das Gesindel irrsinnig geworden und in eine Anstalt gebracht worden sei. Über beide Vorfälle liegen verschiedene und abweichende Berichte vor.

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