Bericht aus Düsseldorf
Bericht über die Zerstörung von Geschäften und Wohnungen in Düsseldorf; die Wohnung der Berichterstatterin wird von Hauseigentümer und Hausmeisterehepaar geplündert; erwähnt wird die Erschießung eines Caféhaus-Besitzers, die Zerstörung der Synagoge und der jüdischen Schule sowie die Verhaftung der Männer.
Zu den letzten Ereignissen in Deutschland möchte ich Folgendes schildern, wie es mir selbst in der Nacht vom 9. zum 10. November ergangen ist.
Nachts gegen 12 Uhr schellte bei mir das Telefon, es meldete sich ein Herr aus K., der mich um Aufnahme bat, da etwas Furchtbares passiert sei, und ob er sofort kommen dürfte. Selbstverständlich bejahte ich dies und kam dieser Herr entsetzlich aufgeregt zu mir, ohne Hut, ohne Mantel, bleich und schilderte mir folgendes Erlebnis:
Er saß in einem jüdischen Café, als ein Trupp junger SA-Leute in Uniform mit vorgehaltenem Revolver in der Hand in das Café hereinstürmte und schrie: „Rache für Paris!“ Er hörte einen Schuss, und im selben Moment wurde das ganze Lokal kurz und klein geschlagen, während dieser Herr flüchten konnte. Ich füge hinzu, dass der Besitzer des Cafés inzwischen seinen Verletzungen erlegen ist. Es war ganz grauenhaft gewesen, dieses anzusehen. Er rannte zur Königsallee (Hauptstraße von D.), wo er sah, dass man bei einem jüdischen Modehaus die Fensterscheiben einschlug. Er hörte die Leute rufen: „Hängt die Juden an die Bäume!“
Dieser Herr blieb kurze Zeit bei mir. Ich bot ihm selbstverständlich an, die Nacht über in meiner Wohnung bleiben zu dürfen, doch wollte er nach Hause. Ich gab ihm Geld und Mantel und glaubte nicht, dass auch die Wohnungen betroffen würden, doch kaum war dieser Herr fort, als ich im Nebenhause ein furchtbares Klirren und Poltern hörte. Ich rannte zum Fenster und hörte auch schon eine Schar junger Männer auf der Straße sagen: „So, jetzt in dieses Haus und zu den Familien.“ Ich hörte, dass man zu mir auch kommen wollte, schloss rasch meine Wohnungstür, meine Schlafzimmertür, holte meinen schlafenden Jungen aus dem Bett, da ich mit diesem alleine war, und schloss mich ins Bad ein. Da in meinem Hause außer mir noch zwei jüdische Familien wohnten, hörte ich unten dasselbe furchtbare Zerschlagen und Schreien, worauf ich glaubte, auch die Menschen würden angegriffen, dann wiederholte sich dasselbe auf meiner Nebenetage, während kurze Zeit darauf auch meine Wohnungstür eingedrückt wurde und in meine Wohnung ca. 20 junge Menschen hineinstürmten, welche mit Beilen und Spitzhacken sofort meine ganze Wohnung zertrümmerten. Die Scheiben wurden eingeschlagen, die Möbel zermatscht, alles kurz und klein geschlagen, die Bilder zerschnitten, die Lehne und Sessel der Möbel zerhackt, die Tischplatten zerschlagen, kurz und gut alles zerstört und zum Schluss sämtliche Möbel übereinandergeworfen. Während diese Leute dann die Wohnung verlassen hatten, um in den Nebenhäusern das Zerstörungswerk fortzusetzen, kam ich mit meinem Jungen aus dem Bad heraus und suchte die anderen Hausmitbewohner. Ein Herr im gleichen Hause war mit dem Gummiknüppel auf den Kopf geschlagen worden, während man diesen nach oben geschickt hatte. Auch diesen Leuten war nichts geblieben.
Kurze Zeit darauf wurden wir nach oben geschickt, und es kamen privat Leute, die anfingen, in den Wohnungen zu plündern und zu rauben. Sie zogen die echten Teppiche heraus. Sie holten sich die Herrenkleidung, Damenkleider, Wäsche, Silber, kurz und gut, was sie erhalten konnten, wurde aus der Wohnung herausgetragen. Ich setze voraus, dass dies nicht überall geschah, sondern berichte in diesem Falle nur von uns in diesem Hause. Was noch ganz war, wurde von diesen Leuten zerschlagen, und vor allen Dingen suchten sie für sich an Sachen heraus, was sie gebrauchen konnten. Gegen Morgen sagte man uns, wir dürften nicht mehr in unsere Wohnung, es sei nicht mehr unsere Wohnung. Man ließ mich noch nicht einmal für das Kind einen Anzug herausholen. Die Polizei, die wir benachrichtigten, kam und sagte, man müsse uns in der Wohnung belassen, doch verlangte der Hauswart Räumung bis 11.00 Uhr, d. h. nur unter Mitnahme unseres persönlichen zu packenden Gepäcks, welches natürlich aus den Trümmern erst mal hervorgesucht werden musste. Der Hausmeister war selbst mit Gummiknüppel dabei und gestattete nicht die Mitnahme meiner eigenen Löffel und Gabeln unter der Bemerkung, dies sei nichts Persönliches, nahm mir dieses ab, gab es der Hausmeistersfrau und ließ es wegtragen. Später jedoch muss wohl eine Verfügung herausgekommen sein, wonach man uns doch in die Wohnung lassen musste (ich hätte auch nicht gewusst, wohin ich hätte gehen sollen, da ja allen Leuten dasselbe geschehen war, während die jüdischen Cafes auch alle zerschlagen waren und das gleiche Schicksal erlitten hatten). Gegen Mittag kam die Hausmeistersfrau und sagte, wir sollten herunterkommen, und zeigte uns Verschiedenes im Keller und fragte, ob uns das gehöre. Das eine und andere konnten wir wieder mitnehmen, während doch ein Teil verschwunden blieb. Mitzunehmen war nicht mehr viel. So versuchte man, seine Kleider und Wäsche - soweit vorhanden -zu retten. Die Mäntel, die an der Garderobe hingen, Jacken und Hüte waren derart zerschnitten, dass eine Mitnahme nicht lohnte, während man einige Damenkleider mit Herrenpomade vollkommen verschmiert hatte. Diverse Wertgegenstände, wie auch Schmuck, blieben verschwunden, während ich meinen Ehering zurückerhielt. Nachdem ich nach meinem Ehering und meiner Uhr fragte, wusste die Hausmeistersfrau ganz genau, wo der Ring sich im Schrank befunden hatte, und kann ich nur betonen, dass ich die Leute selbst in meiner Wohnung gesehen habe, da ich heruntergegangen bin, um zu sehen, was in meiner Wohnung geschieht, und erstaunt war, den Hauswirt mit den Hausmeistersleuten sowie mit Leuten, die in Nebenhäusern wohnten und die ich vom Ansehen kannte, in meiner Wohnung zu sehen, wie sie meine Handtasche aufmachten und auch in der Wohnung alles nachsahen. Der Hauswirt stellte das umgeworfene Buffet wieder auf, ließ den Teppich herunterziehen und ließ mein Silber und andere Sachen fortbringen, dies sah ich mit eigenen Augen. Ich sah auf der Treppe einen Stapel Anzüge liegen sowie meinen Koffer, der für die Abreise, die am nächsten Tag erfolgen sollte, schon bereitstand mit den Wolldecken der Betten und allen möglichen geplünderten Sachen. Ich selbst verließ möglichst schnell die Wohnung, da ich doch die Möbel und nichts mehr davon retten konnte. Außerdem musste ich für Wiederinstandsetzung der Wohnung, für eingedrückte Scheiben und Türen sowie Fenster, die zerschlagen waren, einen Betrag sicherstellen, sonst hätte man mich nicht herausgelassen. Man sagte noch, man sei sehr gnädig mit uns umgegangen (in diesem Wohnviertel). In anderen Gegenden hat man die Möbel zum Fenster hinaus auf die Straße geworfen. Als ich zu meiner Wäscherei fuhr, um meine in die Wäsche gegebenen Sachen wie Tisch-, Leib-, Bettwäsche etc. zu holen, war diese Wäscherei, die sich ganz hinten in einem Hof befindet und selbst kaum von mir zu finden war, vernichtet worden. Man sagte mir, dass die Wäsche auf den Hof geworfen und verbrannt worden sei, und dieses geschah mit Leinenwäsche, die in Deutschland kaum zu beschaffen ist. Der Betrieb dieser armen Leute ist auch vollständig zertrümmert worden. Bei Freunden von mir, die das gleiche Schicksal teilten, ist das ganze Haus ebenfalls völlig zerstört worden. Die teuren Bilder sind kurz und klein geschnitten worden. Zum Schluss sind sämtliche Kräne aufgedreht worden, sodass alles voll Wasser lief, während man die Vorrichtung zum Abdrehen, bevor man ging, abgerissen hatte, sodass das Wasser nicht abzustellen war. Eine telefonische Verbindung mit anderen konnte man schlecht bekommen, da die meisten Telefonapparate mit zerstört waren. Die meisten Männer wurden in Haft genommen, während die anderen draußen umherirrten, um einer Gefangennahme zu entgehen. Die Banken waren gesperrt, sodass man die ersten Tage nicht über seine Gelder verfügen konnte. Von der Synagoge stehen nur die Mauern, während auch die jüdische Schule ausgebrannt ist. Ganze Klaviere und Möbel wurden auf die Straße geworfen, ebenso Wäsche und Kleidung der Leute, die abtransportiert wurden. Die Männer, die draußen waren, wurden selbst auf der Straße gegriffen, ins Polizeigefängnis gebracht, wo sie mit 21 Personen in eine kleine Zelle mit sechs oder acht Betten gebracht wurden, während andere ins Konzentrationslager abtransportiert worden sind.
Die Menschen wagten sich nicht auf die Straße. Wer etwas zu besorgen hatte, nahm - soweit es ging - ein Taxi. Die meisten Wohnungen sind fristlos gekündigt worden. Man sprach nur im Flüsterton, ging auf Zehenspitzen; die Wohnungen sind durchsucht worden, ob niemand beherbergt wurde.
Es gilt im Moment nur, das nackte Leben der Menschen zu retten und sie so schnell wie möglich aus der Hölle herauszuholen. Jeder hat die Pflicht, so schnell wie möglich zu helfen und die Menschen herauszuholen.