Bericht aus Breslau
Am 28. November verfasster Bericht aus Breslau über die Zerstörung der Synagogen und Geschäfte, die Verhaftung der Männer, die Fortführung der Arbeit in den Gemeindeeinrichtungen und die Erschwernisse bei der Auswanderung:
28. November 19383
Nachdem in der Nacht vom 9. zum 10. November in Breslau überall die Schaufenster der Geschäfte, die Juden gehörten, eingeschlagen waren, begannen am Morgen des Donnerstag die Verhaftungen der jüdischen Männer. Es sind in Breslau im Ganzen ungefähr 3000 Juden verhaftet worden, darunter ursprünglich auch Jungens im Alter von 16 Jahren und Greise von über 75 Jahren.
Die Verhafteten wurden zunächst in das Polizeirevier gebracht und dort in die Luftschutzkeller, die sich in jedem Polizeirevier befinden, eingeschlossen. Sie wurden dann mit dem Überfallwagen nach dem Polizeipräsidium überführt, wo sich große Luftschutzkeller befinden. In diesen Kellern wurden die jüdischen Gefangenen zunächst festgehalten. Erst am Freitagnachmittag wurden einzeln die Jugendlichen und die über 60 Jahre Alten entlassen. Die meisten der Verhafteten sind nach den Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen gebracht worden. Die Angehörigen wissen zum Teil noch nicht, wo sich die verhafteten Familienmitglieder befinden. Die Gestapo weist die unglücklichen Frauen mit größter Schroffheit ab.
Die große Synagoge am Ohlauer Stadtgraben ist, wie viele andere Synagogen, abgebrannt. Die Kuppel der Großen Synagoge ist eingestürzt, das Gelände um die Synagoge ist jetzt abgesperrt. Von der konservativen Synagoge in der Wallstraße ist in Körben das dort befindliche Silber etc. von SA-Männern abgeholt worden.
Die Büros der Jüdischen Gemeinde wurden zunächst geschlossen und versiegelt, sind jetzt aber wieder in Betrieb. Da die meisten der Beamten verhaftet sind, so arbeiten dort vielfach Frauen. Das Gleiche gilt für das Büro des Hilfsvereins.
Rabbiner Dr. Vogelstein befand sich am Tage des Pogroms nicht in Breslau, ist auch nicht verhaftet, wohl aber der zweite Rabbiner.
Das große Warenhaus von Barrasch, das längst arisiert ist, ebenso das bekannte Leinenhaus von Bielschowsky wurden auch beschädigt. Man wollte auf diese Weise die neuen Firmeninhaber zwingen, die Namen der früheren jüdischen Besitzer zu entfernen.
Erhalten geblieben ist die Synagoge, die sich im Jüdischen Krankenhaus befindet; von den jüdischen Ärzten dieses Krankenhauses wurden alle bis auf drei verhaftet. Man hofft in Breslau, dass die als Krankenbehandler zugelassenen Ärzte wieder freigelassen werden.
Die meisten der Geschäfte sind mit Bretterverschlägen versehen, denn die Inhaber besitzen nicht das Geld, um die Geschäfte wieder zu öffnen oder instand zu setzen.
Es fehlte zunächst auf dem jüdischen Friedhof an geeigneten Kräften, um die Verstorbenen beizusetzen. Infolgedessen kam es in den ersten Tagen nach dem Pogrom vor, dass die Särge dort unbeerdigt stehen blieben.
Die Auswanderung wird außerordentlich erschwert, da vor Bezahlung der Buße keine Unbedenklichkeitsbescheinigungen erteilt werden. Das gilt auch für die Auswanderung Jugendlicher, falls die Eltern eine Vermögenserklärung abgegeben haben. Für Auswanderungsgut werden, wie üblich, außerordentlich hohe Taxen auferlegt.