Bericht über Pogrom in Berlin
Am 30. November verfasster Bericht über die Zerstörung der Synagogen und der jüdischen Geschäfte in Berlin und die Ausplünderung von Flüchtlingen an der Grenze zu den Niederlanden:
30. November 1938
Am 9. November nachts 2 Uhr brannte die Synagoge Fasanenstraße, eine halbe Stunde später kam die Nachricht, dass die Synagoge Prinzenstraße brennt. Oberschammes A. wurde schwer misshandelt, er musste barfuß durch die Scherben gehen. Die Synagoge Kottbuserdamm wurde geschont. Ein Schupobeamter verweigerte den Eintritt, Leute von der Straße sammelten sich an, um ihn zu unterstützen, es kam zu einer richtigen Schlacht mit Biergläsern. - Entgegen einem anderen Bericht soll die Synagoge Oranienburgerstraße geschont sein, die Synagoge Münchenerstraße stark angegriffen.
Im Lager Sachsenhausen sind Sträflinge untere Aufsichtsorgane.
Bei der Bewachung des jüdischen Gemeindehauses Berlin entstand ein Kompetenzstreit zwischen Arbeitsfront und Gestapo, Letztere erwies sich als Schutzengel.
Die schon vorliegenden Berichte von Zerstörungen jüdischer Geschäfte werden bestätigt. In der Wilmersdorfer Straße wurden alle Waren auf den Damm geworfen, mit Benzin übergossen und angezündet. Bei N. Israel wurden die Waren auf den Lichthof geworfen. - Die Juden müssen jetzt doppelte Sätze für Gas und Elektrizität zahlen.
Gerüchte machen die Runde, dass diejenigen, die nicht sehr schnell auswandern, als Geiseln zurückbehalten werden bis zur Erledigung der Kolonialfrage.
Herr B. ist in Bentheim aus dem Zuge geholt worden. Bei der Leibesvisitation ist ihm seine goldene Uhr mit Kette weggenommen worden. Er sollte RM 800 - zahlen im Unterwerfungsverfahren, oder er würde dem dortigen Gericht ausgeliefert werden. Telegrafisch hat er sich das Geld verschafft. -Eine Dame, die eine nicht sehr wertvolle Brosche trug, sollte RM 750 - zahlen; da sie das Geld nicht beschaffen konnte, ist sie vorläufig zurückgehalten worden.