Bericht über Pogrom in Berlin
Augenzeugenbericht einer nichtjüdischen Berlinerin über die Zerstörung von Geschäften im Berliner Konfektionsviertel:
Bericht einer Dame aus Berlin, „Arierin“:
Donnerstagmittag gegen 1 Uhr trat eine Bande von 13 bis 14 Mann im Konfektionsviertel auf. Drei Mann in guter Garderobe befehligten die Übrigen, welche die „kochende Volksseele“ repräsentierten. Diese Gruppe von zehn bis elf Mann drang, mit langen Eisenstangen und Beilen bewaffnet, in die Engros-Geschäfte ein, um dort alles, aber auch alles, was es nur zu zerstören gab, in Trümmer zu schlagen. Damit war jedoch dieser „kochenden Volksseele“ nicht Genüge getan. Kleider, Pelze, Schreibmaschinen, Lampen, Garderobenständer, ja sogar die Blumentöpfe aus den großen Verkaufsräumen wurden auf die Straße geworfen. Die gesamten Buchhaltungen, Arbeitszettel und Kartotheken flogen auf die Straße. Alles, was man davon berichten kann, ist schwach gegen die Wirklichkeit. Von 1 Uhr bis 6 Uhr klirrten die Scheiben. Auf den Straßen häuften sich Berge von Glas, und das Papier der Buchhaltungen lag wie Schnee über allem. Wenn die Horde aus den einzelnen Häusern zurückkam, wurden den Leuten von den drei Antreibern die Taschen visitiert, denn die kochende Volksseele durfte nichts stehlen. Unten sorgten die Antreiber und Aufpasser dafür, dass die Straße frei war. Mit den Worten: „Straße frei, hier kommen gleich die Scheiben herunter!“ wurden die Passanten zurückgehalten, während ein anderer den Auto-Verkehr umleitete und parkende Wagen vorher zur Seite geschoben wurden. Bemerken möchte ich ausdrücklich, dass während der ganzen Aktion selbstverständlich auch die reguläre Streifen-Verkehrs-Polizei auf den Straßen war, ohne irgendwelche Notiz von den Geschehnissen zu nehmen.
In einem großen Engros-Geschäft hatte das Personal zeitlich die Räume verlassen und eine schwere eiserne Tür geschlossen, sodass die Bande trotz eifrigster Mühe nicht eindringen konnte. Darauf ging die „kochende Volksseele“ und holte sich einen Maurer, der vom Nebenhaus ein Loch durch die Mauer schlagen musste, damit die Horde eindringen und dann ihr Zerstörungswerk doch vornehmen konnte.
In den Hauptstraßen sah es aus, als ob Berlin einem Bomben-Angriff ausgesetzt gewesen war. Aus den Schaufenstern war alles auf die Straße gezerrt. In den Radio-Geschäften waren die großen Apparate kurz und klein zerschlagen, in den Weinhandlungen standen Wein und Spirituosen fußhoch - überall, überall ein unbeschreibliches Chaos.