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Chronik und Quellen
1939
April 1939

Festnahme wegen Nichtverwendung der Zwangsvornamen

Nach dem 6. April 1939 kommt es in Pommern und Berlin wegen Nichtverwendung der Zwangsvornamen „Israel“ und „Sara“ und anderer „spezifischer Judendelikte“ zu Verhaftungen:

Aktuelle Strafverfahren

Als Grundsatz für alle Strafverfahren gegen Juden muss gelten, dass die Erstattung einer Anzeige gegen einen Juden im Allgemeinen seine sofortige Verhaftung zur Folge hat. Mag die in Aussicht stehende Strafe noch so gering und der Erlass eines Haftbefehls nach den Grundsätzen der immer noch nicht geänderten Strafprozessordnung noch so unüblich sein, Juden werden im Allgemeinen sofort verhaftet.

Zu den alten Tatbeständen der spezifischen Judendelikte sind folgende aktuellen hinzugetreten:

1.) Wer den Vornamen Israel oder Sara im Rechts- oder Geschäftsverkehr zu führen unterlässt, wird mit Gefängnis bestraft. Geldstrafe ist nicht zulässig, es erfolgt sofort Verhaftung. Ein Arzt in Pommern, getauft, sitzt seit drei Wochen, weil er irgendeine gleichgültige Erklärung nicht mit dem zusätzlichen Vornamen Israel unterzeichnet hat.

Ein anderer Akademiker, der aus einem nichtigen Grunde im Gefängnis saß, hat von dort aus die Geburt eines Kindes standesamtlich angezeigt, ohne den zusätzlichen Vornamen Israel für sich zu führen. Daraufhin ist gegen ihn wegen der Unterlassung ein Verfahren eröffnet worden.

Gegen eine 73-jährige Frau in Berlin, die eine Eingabe an die Polizei im Januar gemacht hatte, ohne den zusätzlichen Vornamen Sara zu führen, ist eine Gefängnisstrafe von einer Woche durch Strafbefehl verhängt worden.

2.) Wer in der Judenvermögensanmeldung im Juni 1938 seinen Schmuck spezifiziert hat und jetzt nicht die volle Zahl der aufgeführten Schmuckstücke abgibt, hat mit Strafverfahren und Verhaftung zu rechnen. Hierbei braucht nicht etwa ein Teil des Schmuckes der Ablieferung entzogen worden zu sein. In der Zeit von Juni bis Dezember 1938 kann durchaus ein Verkauf oder eine Verschenlcung einzelner Schmuckgegenstände erfolgt sein.

3.) Auswanderer haben ihr Umzugsgut bis ins Einzelne auf langen Listen bei der Devisenstelle einzureichen, die dann für alle nach 1933 angeschafften Sachen, also auch Kleidungsergänzung, Zuschläge an die Golddiskontbank erhebt. Beim Einpacken des Umzugsguts sind Zollbeamte zugegen, die die eingepackten Sachen mit der eingereichten Liste des Umzugsguts vergleichen. Packt jemand völlig gleichgültige Sachen ein, die sich nicht in der Liste befinden, so wird ein Strafverfahren eingeleitet, und in der Mehrzahl der Fälle werden die „Verbrecher“ verhaftet. Es ist in einem Falle, in dem Kinderkleider, etwas Wäsche und einige Damenblusen, also nicht etwa Schmuckstücke oder ausfuhrverbotene Waren, eingepackt wurden, eine Geldstrafe von RM 1.000,- verhängt worden. Ein Auswanderer, dessen Frau eine Gardine, die nicht in der Liste aufgeführt war, eingepackt hatte, wurde sieben Wochen in Schutzhaft gehalten.

4.) Als Kapitalverbrechen schwerwiegendster Art wurde am 6. April die Verbringung von Koffern durch jüdische Spediteure in den deutschen Zeitungen, und zwar auf der ersten Seite, mit leitender Schlagzeile dargestellt. In Wirklichkeit handelte es sich um die Versendung von Koffern ohne Genehmigung der Devisenstelle; der Kofferinhalt ist zumeist gleichgültig: überzählige Kleidungsstücke, gelegentlich auch eigener Schmuck und etwas Tafelsilber, das dem Zugriff entzogen wird.

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