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Chronik und Quellen
1934
Dezember 1934

Bericht aus München

Die Polizeidirektion München erstattet am 6. Januar 1935 folgenden Bericht für Dezember 1934:

Allgemeine politische Lage [...]

Zu erwähnen ist noch ein Artikel in der Nummer 355 der ''Basler Nachrichten'' vom 28.12.34, der einen Ausländer sprechen läßt, der sich angeblich über die Weihnachtszeit in Frankfurt a.M. aufgehalten haben soll. In den Ausführungen wird behauptet, daß sich schon am Samstag vor Weihnachten die Fälle gehäuft hätten, in denen das kauflustige Frankfurter Publikum mit Brachialgewalt daran gehindert wurde, in jüdischen Geschäften oder in solchen, die allgemein für jüdisch gehalten wurden, ihre Einkäufe zu besorgen. Diese Bewegung soll ihren Höhepunkt am Nachmittag vor Weihnachtsabend erreicht haben.

Der ''Pester Lloyd'' nahm in der Nummer 287 vom 19.12.34 Stellung zur Rede des Gauleiters Streicher vor dem ''Nationalsozialistischen Juristenbund'', in dem er [''Pester Lloyd''] ausführt: ''Man weiß wirklich nicht, ob man die Lächerlichkeit oder die Barbarei, die aus ihr sprechen, stärker empfinden soll... Mit dieser letzten Rede ist jedenfalls der bisherige Höhepunkt des Rassen Wahnsinns erreicht, aber das hindert die deutsche Reichsregierung nicht, ihren Autor in Amt und Würde zu lassen''. [...]

Ausländer [...]

Ausweisungen von jüdischen Wirtschaftsschädlingen, die im Jahre 1933 und auch in der ersten Hälfte des Jahres 1934 in größerer Zahl durchgeführt werden mußten, sind nur noch ganz selten. Dagegen mehren sich die Gesuche um Wiedereinreiseerlaubnis; diese werden nicht selten sogar an den Führer und Reichskanzler persönlich gerichtet. Unter dem Vorwande, kranke Verwandte besuchen zu müssen, versuchen die Ausgewiesenen, wenn auch nur auf kürzere Zeit, in das Reichsgebiet zu gelangen. Tatsächlich ist es ihnen aber nur meistens darum zu tun, die geschäftlichen Beziehungen wieder aufzufrischen und wenn möglich neue anzubahnen. Den ausgewiesenen Juden geht es im Ausland sehr schlecht, sie kämpfen bis zur Verzweiflung um ihre weitere Existenz und versuchen alles, um wieder nach Deutschland kommen zu können. Besonders schlecht soll es den aus Deutschland ausgewiesenen Juden ergehen, die sich in Wien niedergelassen haben. Selbst die eigenen Glaubensgenossen kümmern sich dort nicht um sie. [...]

Sonstiges

In den Luitpold Lichtspielen entstand am Samstag, den 16.12.34 während der Abendvorstellung ein Tumult, da die Zuschauer den Film ''Ein Mädel aus Wien'' mit Nachdruck wegen seiner jeder völkischen Auffassung baren Einstellung ablehnten. Die Spielhandlung dieses Werkes zeigte nicht, was sich das Publikum von ihr erwartete, sondern verherrlichte lediglich die Machenschaften eines Juden, der mit der Macht seines Geldbeutels ein armes deutsches Mädchen zu gewinnen versuchte und sich als ihr Mäzen aufspielte. Bei einzelnen Szenen gab das Publikum offen seiner Entrüstung Ausdruck. Es wurden Rufe laut wie ''Deutsche! Heraus aus dem Judenfilm!'' ''Zeigt deutsche Filme!'' ''München ist Kunststadt und will keinen Kitsch sehen!''

Die Leitung des Lichtspieltheaters setzte sogleich den Film ab und entschädigte die Besucher. Nach einer Erklärung der Theaterleitung mußte der Film (Mädel aus Wien) ''blind gebucht'' werden, d.h. er konnte vor der Abnahme nicht besichtigt werden. Zu solchen Entscheidungen sind die Theaterbesitzer angeblich gezwungen, da die Verleiher ohne weiteres in der Lage sind, auf die Theaterbesitzer in dieser Richtung Druck auszuüben.

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