Berichte aus Lüneburg
Die Gestapo für den Regierungsbezirk Lüneburg erstattet am 19., 20. und 28. Dezember 1934 folgende Tagesberichte:
16.12.: In den Nachmittagsstunden des 16.12.34 (Verkaufssonntag) wurde in Celle beobachtet, daß vor mehreren jüdischen Geschäften SA Männer Aufstellung genommen hatten. Auf Befragen erklärten sie, den Auftrag zu haben darauf zu achten, wer von den SA Kameraden in jüdischen Geschäften kaufe. Die Maßnahme ist von einem SA Unterführer getroffen worden, um zu verhindern, daß ortsfremde SA Angehörige in Celle hat am gleichen Tage ein Aufmarsch stattgefunden, an dem zahlreiche auswärtige SA Männer teilgenommen haben aus Unkenntnis in jüdischen Geschäften kauften und hierdurch das Ansehen der SA schädigten. Das Verhalten der SA Männer vor den Geschäften war einwandfrei, es sind lediglich SA Angehörige, die die betr. Geschäfte betreten wollten, angesprochen worden. Zu Störungen ist es nicht gekommen.
19.12.: In letzter Nacht wurden von unbekannten Tätern die Fenster der Synagoge in Harburg Wilhelmsburg eingeworfen. Von jüdischer Seite wurde nunmehr das Ansinnen gestellt, in hiesiger Stadt die Zeitschrift ''Der Stürmer '' aus den Schaukästen usw. entfernen zu lassen, da angeblich ein Artikel im Stürmer ''Juden schänden dreijährige Kinder'' Anlaß zum Fenstereinwurf gewesen sein soll. Das erwähnte Verlangen jüdischer Kreise, dem nicht entsprochen worden ist, beweist aber, daß die Juden allmählich beginnen, wieder bewußter aufzutreten.
Zu Störungen ist es nicht gekommen. Die Bevölkerung hat von dem Einwurf der Fenster so gut wie keine Notiz genommen.
22.12.: In den Abendstunden des 22. Dezember wurden in Lüneburg an den Schaufenstern mehrerer Geschäftsleute kleine runde Handzettel mit der Aufschrift ''Wer bei Juden kauft, ist ein Volksverräter'' wahllos angeklebt. Auf dem Zettel befindet sich neben der Beschriftung eine Judenfratze. Besonders sind die Schaufenster eines Kleinpreisladens beklebt worden. Auch Schaufenster nichtjüdischer Geschäfte sind nicht verschont geblieben. Nach Entfernung der Zettel sind neue nicht angeklebt worden. Die Ermittlungen nach den Anklebern sind bislang ohne Erfolg geblieben.