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Chronik und Quellen
1934
November 1934

Bericht aus Alzenau

Das Bezirksamt Alzenau in Unterfranken berichtet am 27. November 1934 für November:

Während die politische Lage im Amtsbezirk im Berichtsabschnitt im allgemeinen ohne Störung blieb, kam es Ende Oktober in Schöllkrippen zwischen Juden und SA Leuten zu ernstlicheren Mißhelligkeiten. In der Nach vom 28. auf 29.10.34 wurde in die Synagoge von Schöllkrippen eingebrochen. Die Täter entwendeten dort mehrere Thora Rollen im Wert von über 1.500 RM und drei silberne Schriftdeuter. Die Gegenstände wurden anderen Tages im benachbarten Bachbett und auf der anstoßenden Wiese, zerstreut und größtenteils unbrauchbar, wieder aufgefunden. Der Verdacht der Täterschaft richtete sich gegen 2 SA-Leute aus Schöllkrippen, die am 30.10.34 von der dortigen Gendarmerie weg[en] Verdunkelungsgefahr festgenommen und am 31.10.34 in das Amtsgerichtsgefängnis Alzenau eingeliefert wurden. Ihre Entlassung erfolgte noch am gleichen Tage nach richterlicher Vernehmung. Ob sie wirklich die Täter sind, dürfte erst das Fingerabdruckverfahren zweifelsfrei ergeben.

Das pflichtgemäße Einschreiten der Gendarmerie wurde bedauerlicherweise von dem SA Sturmführer [N.N.] (Schöllkrippen) zu einer Hetze gegen die Gendarmerie benutzt; diese wurde der Judenfreundschaft bezichtigt und bei einer Tanzmusik in Sommerkahl von dem betrunkenen [N.N.] überdies noch öffentlich verhöhnt, indem er eine ''Extratour für die zwei Schwerverbrecher'' einlegen ließ.

In den gleichen Tagen wurde den Schöllkrippener Juden mehrfach die Fenster eingeworfen. Ferner stellten sich 2 SA Leute vor dem jüdischen Gemischtwarengeschäft Gebr. Strauß auf und photographierten einige Tage lang sämtliche dort ein- und aus gehenden Kunden. Dies geschah angeblich im Auftrag des Schöllkrippener NS Hago Führers [N.N.a], der selbst ein Konkurrenzgeschäft betreibt. Das dankenswerte Erscheinen des SA Standartenführers Stollberg von Aschaffenburg setzte diesen unerfreulichen Vorgängen ein Ziel [sic]. Seitdem herrscht in Schöllkrippen wieder Ruhe. Dem jüdischen Handelsmann Wolf Lebrecht, der durch herausforderndes Benehmen die Erregung noch gesteigert hatte, ist vom Amt die Verhängung der Schutzhaft angedroht worden, falls er nochmals Anlaß zu Beanstandungen geben sollte.

Nicht unerwähnt kann bleiben, daß in sehr beachtlichen SA Kreisen davon gesprochen wird, man müsse nach der Saarabstimmung gegen die Juden allgemein aufs schärfste vorgehen. In diesem Zusammenhang wurden ziemlich unverhüllte Drohungen mit Umbringen gebracht. Diese Äußerungen sind m.E. nicht ganz leicht zu nehmen, da unbedachte Handlungen auf diesem Gebiet die schwersten wirtschafts- und außenpolitischen Folgen nach sich ziehen könnten.

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